Warum Pressefreiheit entscheidend ist. Und Selbstkritik nottut.
Heute beginnt die 1. Hamburger Woche der Pressefreiheit. Schnörkellos und klar garantiert Artikel 5 im Grundgesetz: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“
75 Jahre, nachdem der Parlamentarische Rat in Bonn seine Arbeit für eine deutsche Verfassung aufgenommen hat, klingt das wie eine Selbstverständlichkeit. Doch selbstverständlich ist nichts – ganz im Gegenteil. Wer Freiheit und Menschenrecht für gottgegeben und ewig gültig hält, sollte sich umschauen in der Welt. Der Populismus ist auf dem Vormarsch, einst freie Gesellschaften verwandeln sich zunehmend in repressive Regimes, und die Hoffnung auf den Siegeszug der Demokratie stirbt zurzeit an vielen Orten.
Auch in Deutschland sollten wir uns nicht zu sicher sein. Im Pressefreiheits-ranking von Reporter ohne Grenzen ist die Bundesrepublik zuletzt von Rang 16 auf Rang 21 abgerutscht. Angriffe auf Journalisten häufen sich, Medien werden als „Lügenpresse“ verunglimpft. Wo Vertrauen schwindet, wächst der Hass.
Es gärt im Land: Rund ein Drittel der Thüringer beispielsweise will laut Umfragen mit der AfD eine Partei wählen, die der Verfassungsschutz dort für „gesichert extremistisch“ hält. Das ist noch immer eine Minderheit. Aber eine Minderheit, die größer wird. Sie vertraut den Massenmedien nicht mehr, sondern sucht sich im Netz des unbegrenzten Irrsinns eigene „Wahrheiten“ oder folgt lieber „Fake News“, die bewusst gestreut werden.
So werden die Mechanismen einer funktionierenden Gesellschaft außer Kraft gesetzt: Die Demokratie benötigt nicht nur den Widerstreit der Meinungen, sie benötigt auch informierte Bürger. Und sie benötigt Marktplätze, wo Meinungen und Informationen zusammenkommen.
Pressefreiheit ist eine fundamentale Spielregel
Meinungs- und Pressefreiheit sind fundamentale Spielregeln. Das Grundgesetz war klug, auch Einschränkungen zu formulieren: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
Rechte und Pflichten gehören zusammen. Das glorreiche Grundrecht der Pressefreiheit funktioniert nur mit der Pflicht zur Sorgfalt, zur Unvoreingenommenheit, zur Fairness, zu einer gewissen Ausgewogenheit. Aktivismus und Journalismus schließen sich aus – es sei denn, der Aktivismus wird ausdrücklich benannt. Alte Regeln haben auch in der neuen Zeit ihre Gültigkeit nicht verloren. Damit Medien besser werden können, müssen sie selbstkritischer werden.
Dass sie aber unverzichtbar sind – trotz aller Fehler –, sollte jedem Demokraten klar sein. Eine Gesellschaft bedarf der Arbeit unabhängiger und professioneller Journalisten. Wer erzählt vom Leben der anderen, berichtet aus fremden Stadtteilen, hält den Scheinwerfer auf Skandale und Skandälchen, verbindet Menschen, schafft den Marktplatz für Meinungen und Gedankenaustausch? Mit intensiven Recherchen und kritischen Analysen halten Medien die Gesellschaft zusammen. Wo sie weichen, gerät etwas ins Kippen: Nachdem in den USA lokale Zeitungen verschwanden, wuchsen Korruption und Machtmissbrauch.
Pressefreiheit ist kein ewiges Gut, sondern muss jeden Tag erkämpft werden – durch überzeugende Arbeit und durch
loyale Leser und Zuschauer.
Gut, dass es sie gibt.
Danke, dass es Sie gibt.