Gestaltungswille trifft allzu oft auf Hindernisse: Nordmetall-Vorstand Folkmar Ukena kritisiert die Flut der Gesetze für Unternehmen.
Chancen erkennen, Geschäftsideen entwickeln und Verantwortung übernehmen – all das zeichnet unternehmerisches Handeln aus. Wirtschaften ist ein dynamisches, freiheitsbedürftiges Geschäft. Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) propagierte „Deutschland-Tempo“ könnte diese wirtschaftliche Dynamik wunderbar beflügeln.
Doch abseits wohlfeiler Visionen trifft unternehmerischer Gestaltungswille allzu oft in der Bundesrepublik auf die „Herrschaft der Bürokratie“ – und droht daran zu scheitern.
Der Staat überfordert die Unternehmen
Dabei ist es eine zentrale Aufgabe des Staates, den rechtlichen Rahmen so zu setzen, dass Wirtschaft und Gesellschaft im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft florieren. Diese rein rahmensetzende Rolle überschreitet der Staat immer häufiger, auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene. Verschiedene Beispiel sollen diesen Gedanken verdeutlichen.
Beispiel Lieferketten: Seit Januar 2023 sind Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mehr als 3000 Beschäftigten dazu verpflichtet, Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards ihrer direkten Zulieferer zu identifizieren und wirksam zu bekämpfen. Die Einführung eines solchen Risikomanagements überfordert schon jetzt viele Betriebe.
EU erhöht zeitgleich die Anforderungen
Doch die Europäische Union schmiedet nun noch weitergehende Pläne für eine eigene Lieferketten-Richtlinie. Demnach sollen auch Unternehmen mit nur 250 Beschäftigten das Geschäftsgebaren ihrer Zulieferer und Kunden bis zum Rohstoff zurück überprüfen müssen.
Das wäre eine Verschärfung, die das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu Makulatur macht und den Betrieben zusätzliche, kaum erfüllbare Lasten aufbürdet.Das nächste Beispiel betrifft das Hinweisgeberschutzgesetz: Dem bürokratischen Übereifer der Ampelregierung haben die unionsgeführten Bundesländer zwar gerade einen Absage erteilt. Denn der Gesetzentwurf geht weit über die Anforderungen der EU-Whistleblowing-Richtlinie hinaus.
Unternehmen sind zunehmend überfordert
Auch sollen Unternehmen einen anonymisierten Meldekanal für Rechtsverstöße einrichten, ähnlich dem im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorgeschriebenen Beschwerdeverfahren. Warum lassen sich hier keine Synergien schöpfen, statt neue Parallelstrukturen zu schaffen? Ressourcenschonend geht anders.
Ein weiteres Beispiel ist die öffentliche Auftragsvergabe: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung eines Bundestariftreuegesetzes war Initialzündung für viele Landesparlamente, ihre eigenen Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge neu zu regeln – in Mecklenburg-Vorpommern, in Bremen oder Schleswig-Holstein. Aufträge sollen in Zukunft nur noch an Unternehmen gehen, die tarifähnliche Löhne zahlen – und die in der Lage und willens sind, die zur Erfüllung aller Vergabeformalitäten erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. So manchen Mittelständler wird dies von einer Bewerbung abhalten.
Hamburg besonders regulierungswütig
Besonders regulierungswütig zeigen sich aktuell Politiker von SPD und Grünen in Hamburg. Dort sollen globale Verantwortung, gute Arbeit, Umwelt- und Klimaschutz zu Leitlinien der öffentlichen Auftragsvergabe gemacht werden.
Leitfäden, Monitorings, Kompetenzstellen und Weiterbildungsangebote sollen Verwaltung und Unternehmen fit machen für eine Strategie zur nachhaltigen Beschaffung. Wie lange wird das dauern? Was wird das kosten, und wie viele Bürokratielasten werden folgen?
Deutschland-Tempo beim Bürokratieabbau
Aktuellen Umfragen zufolge nehmen Betriebe die Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren mittlerweile sogar als bedrohlicher wahr als Energiekrise, Inflation, Krieg, Fachkräftemangel oder Lieferkettenprobleme.
Deshalb brauchen wir endlich echten Bürokratieabbau als Konjunkturprogramm zum Nulltarif. Hätten auch Politikerinnen und Politiker in Brüssel, Berlin und in den Landeshauptstädten diese Haltung, wäre das „Deutschland-Tempo“ längst Standard.