Biedermeier 3.0: Küche und Co. werden hochglänzend inszeniert und im Netz präsentiert. Haben die zu viel Zeit?

Früher, als eine Kücheneinrichtung noch nicht so viel kosten konnte wie drei Rolls-Royces, hieß unser heutiges Aufreger-Thema einfach „Aufräumen“.

Vorbei, gegessen.

Speisekammer-Schweinekram können auch Veganer fabrizieren

„Pantry Porn“, rumpelnd eingedeutscht „Speisekammer-Schweinkram“, können allerdings auch Veganer fabrizieren. Einer dieser irren Trends, die durch Menschen mit zu viel Tagesfreizeit in den sozialen Medien mit Wichtigkeit aufgepumpt werden, bis unsereins sich verstört am Kopf kratzt und fragt: Echt jetzt?!

Regalmeter mit farblich fein aufeinander abgestimmten Vorratsboxen werden auf Instagram präsentiert wie Wunschkinder, beschriftet von einer südspanischen Kalligrafin, auf deren Marmeladen-Etikett-Zuteilung man wochenlang warten darf. Kühlschränke, in denen Käsesorten nach den Sternzeichen der Fachhändler angeordnet sein müssen, weil die Dame oder der Herr des Hauses ansonsten Weinkrämpfe erleiden.

Als Privatvergnügen können alle in ihren Küchen ja anstellen, tun oder lassen, wonach ihnen ist. Schwierig wird es, sobald penetrant überinszeniert wird.

Das Statussymbol reicher Menschen oder auch: Biedermeier 3.0

Eine Marketing-Professorin der Universität Chicago hat nun diese Geschmacksverirrung als das enthüllt, was es wohl ist: als ein weiteres Statussymbol reicher Menschen, als Auswuchs „klassistischer, rassistischer und sexistischer Sozialstrukturen“, besonders gern von weißen Frauen übrigens. Biedermeier 3.0 also. Erst recht, weil jeder weiß, dass überall dort, wo gekocht wird, mindestens die Gewürzdöschen fliegen. Es kleckert, es brennt an, und immer wieder steht ständig irgendwas im Weg.

Schon Karl Lagerfeld hatte erkannt: Wer seine Küche aufräumt, als wäre es ein OP-Saal für Hirnchirurgen, hat die Kon­trolle über sein Gefühlsleben verloren.