Hamburg. Das Kohlekraftwerk Moorburg hat viele Menschen verärgert. Ob die neue Alternative alle Seiten zufrieden stimmt, darf hinterfragt werden.

Wenn der Autor eines Rhetorik-Hand­buches noch ein Fallbeispiel für die wohlklingende Umschreibung etwas sehr Hässlichen, genannt Euphemismus, sucht, in Hamburg würde er fündig. Für Vattenfall geht mit dem Verkauf von Moorburg eine „sehr wechselvolle und bewegte Geschichte“ zu Ende, sagte der Deutschlandchef des Energiekonzerns, Christian Barthélémy. Das ist der Euphemismus der Jahres: Er hätte auch sagen können: Für Vattenfall geht eine sehr teure und schreckliche Geschichte zu Ende.

Der schwedische Staatskonzern hat in Moorburg Milliarden in den Elbschlick gesetzt, der Streit um die Umweltauflagen eskalierte bis vor das Internationale Schiedsgericht in Washington, wo sich sonst Investoren mit Bananenrepubliken herumschlagen. Moorburg wurde ein Kraftwerk mit viel Symbolkraft und ohne Verstand: Es war von vornherein überdimensioniert und schon damals die falsche Antwort auf die Frage der Energie der Zukunft. Sein Bau wurde von politischem Zank und Zerwürfnissen begleitet. Als Moorburg endlich fertig war, wollte es niemand mehr haben.

Kraftwerk Moorburg wurde bald zur Investitionsruine

So wurde das modernste und effizienteste Kohlekraftwerk in Rekordgeschwindigkeit zur Investitionsruine. Es lief gerade sechs Jahre – und während nach dem Überfall auf die Ukraine alte Dreckschleudern wieder ans Netz gehen, wurde Moorburg seelenruhig weiter zurückgebaut. Welche Verschwendung von Ressourcen!

Das Kohlekraftwerk zeigt überdeutlich, was in Deutschlands Energiepolitik schiefläuft. Über Jahrzehnte regierte hierzulande das energiepolitische Dreieck – die Energieversorgung sollte wirtschaftlich sein, umweltverträglich sein und Versorgungssicherheit gewährleisten. Seit einigen Jahren reicht der Politik eine Kante des Dreiecks – die Ökobilanz. Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit werden womöglich erst dann Thema, wenn es zu spät ist.

Auf Wasserstoff zu setzen ist der richtige Ansatz

Nun soll in Moorburg die Zukunft entstehen, ein Ausrufezeichen der Energiewende. Mit dem Aufbau eines Elektrolyseurs soll in der Elbmarsch in Zukunft Wasserstoff produziert werden. Zunächst ist eine Leistung von 100 Megawatt geplant, später könnten es bis zu 1000 Megawatt werden. Das Kohlekraftwerk kam auf eine Leistung von 1600 Megawatt.

Zweifellos ist es richtig, im Rahmen der Energiewende auf Wasserstoff zu setzen. Wer in dieser Zukunftstechnologie erfolgreich sein möchte, darf nicht kleckern, er muss klotzen. Der Standort Moorburg bringt viele Stärken mit und ist Teil eines umfassenden Wasserstoff-Netzwerks aus Wissenschaft und Unternehmen.

Hat der Elektrolyseur eine Zukunft, die alle Seiten vereint?

Und doch muss man nach seiner Vor­geschichte durchaus skeptisch bleiben. Denn Symbole haben oft ein schweres Leben. Das Kohlekraftwerk Moorburg durfte nicht gelingen, der Großelektrolyseur Moorburg muss gelingen. Nun sollen es die städtischen Hamburger Energiewerke alleine richten. Das passt in die politische Betrachtung der Welt, die dem Staat derzeit eine Allmacht in allen Dingen zutraut. Es passt weniger in die ökonomische Betrachtung – private Investoren haben einen besseren Blick auf die Wirtschaftlichkeit.

Doch die ehemaligen Partner beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft verabschieden sich – erst Shell, nun Vattenfall. Ob der Elektrolyseur Wirtschaftlichkeit, Klimafreundlichkeit und Versorgungssicherheit vereint? Zweifel sind angebracht. Wie sagte der Vattenfall-Chef noch? „Wir verabschieden uns von Moorburg mit einem herzlichen Tschüs.“ Er scheint froh zu sein, Hamburg den Rücken zu kehren.