Hamburg. Hamburgs Altbürgermeister im Gespräch mit Matthias Iken vom Abendblatt. Heute über Frieden durch Diplomatie.

Matthias Iken: Der Krieg in der Ukraine geht ins zweite Jahr. Fürchten Sie, dass es noch mehr werden?

Klaus von Dohnanyi: Das kann heute niemand vorhersehen, denn die Kriegsziele beider Seiten sind undeutlich. Putin wollte mit seinem Einmarsch wohl verhindern, dass die Ukraine in die Nato komme, hat aber das Gegenteil erreicht. Für eine UNO-gesicherte, neutrale Ukraine mit Anlehnung an die EU scheint es deswegen heute zu spät. Informierte Kritiker aus den USA meinen, das wahre Kriegsziel der USA sei die endgültige Verdrängung Russlands aus Europa und seine weltpolitische Auszehrung. Das könnte lange dauern. Selbst für einen Waffenstillstand ist die Lage also sehr kompliziert.

Iken: Der russische Präsident Wladimir Putin bombt weiter, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nennt Verhandlungen Zeitverschwendung – wie soll da Frieden kommen?

Dohnanyi: Wo blutig geschossen wird, sind Verhandlungen nur für den „Zeitverschwendung“, der persönlich sicher ist! Erfahrene Militärs wie der frühere deutsche Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat und der heutige US-amerikanische Generalstabschef Mark Milley tendieren eher zu Verhandlungen. Auch gut die Hälfte der Deutschen ist für mehr Diplomatie. Der Unsinn, die Ukraine verteidige auch Deutschland, wird sich nicht mehr lange halten lassen. Allerdings, Verhandlungen mit wem? Um mit Russland zu verhandeln, müsste man ein Angebot machen. Hört man auf Selenskyj, dann bedeutet das nur die russische Kapitulation; Putins kürzliche Rede an die Nation lässt darauf kaum hoffen. Auf westlicher Seite haben allein die USA die Macht, den Krieg zu beenden, aber sie haben sich offenbar entschieden, das nicht zu tun. So war auch Biden jetzt in Kiew zu verstehen.

Iken: 2014 haben Deutschland und Frankreich noch vermitteln können. Was können wir jetzt zu einem Ende der Kämpfe beitragen?

Dohnanyi: Ich weiß, dass ich hier erheblich gegen den Strich bürste: Aber niemand sollte von einem souveränen Land verlangen, dass es blind den Vorschlägen von mächtigen Partnern folgt. Schon im Dezember 2021, als Putin um Verhandlungen über Ukraine/Nato bat, hat Washington das ausgeschlagen, ohne Berlin auch nur zu fragen! Nun müssen wir Wege suchen, wie weitere Hilfe für die Ukraine politisch mit Verhandlungen verbunden werden könnte. Dabei ist die Adresse zunächst Washington und dann Kiew. Der Krieg muss ein Ende finden, in unser aller Interesse. Das verlangt Mut und diplomatische Energie, aber so ist das nun mal in der Politik!