Das Wahlergebnis sollte für Peter Tschentscher Warnung sein. Die politische Stimmung dreht – und die CDU darf hoffen.

Plötzlich ist der Job des CDU-Herausforderers in Hamburg einer der politisch spannendsten, den die Republik zu vergeben hat. Das klingt erst einmal absurd – denn es ist drei Jahre her, dass Marcus Weinberg pflichtbewusst die CDU-Niederlage abholen musste: Am 20. Februar 2020 zertrümmerten die Hamburger die Union zur Splitterpartei von 11,2 Prozent.

Doch im Kern dieser Niederlage keimt Hoffnung: Mathematisch heißt er Basis­effekt. Die CDU kann seither nur wachsen: Schon ein Umfrageergebnis von 20 Prozent klingt nach Aufholjagd. Ausgerechnet Berlin zeigt, dass für die CDU in Metropolen deutlich mehr drin ist: Der eher blasse Christdemokrat Kai Wegner landete bei 28 Prozent.

Nun ist Hamburg nicht Berlin, werden viele Christdemokraten seufzen. Aber das Ergebnis von Sonntag zeigt, dass auch sehr liberale Großstadtwähler eine Schmerzgrenze haben. Sollten SPD, Grüne und Linkspartei, die allesamt verloren haben, ihre Koalition der Verlierer fortsetzen, dürfte es die Abschiedstournee des Linksbündnisses sein.

Berliner Wahlergebnis sollte Warnung für Hamburgs SPD sein

Hamburg ist nicht Berlin, werden sich SPD und Grüne zugleich trösten: Anders als in der Hauptstadt funktionieren hier die Behörden, der Wohnungsbau der vergangenen Jahre war ein Erfolg, und an Alster und Elbe sind beide Parteien weniger dogmatisch, dafür lieber pragmatisch.

Und doch ist das Berliner Ergebnis ein Wetterleuchten – gerade, wenn man sich die Beweggründe der Wähler genau anschaut: Mit Abstand wichtigste Themen waren Sicherheit und Ordnung (23 Prozent) vor dem Wohnen. Der Klimaschutz landete nur auf Rang 3.

Einer der Gründe, warum die Menschen CDU wählten, lautete nach Infratest-Daten: Die Partei benenne klar die Probleme mit Zuwanderern. Die SPD hingegen verlor auch deshalb so deutlich, weil eine Mehrheit ihrer Wähler sich an der Verkehrs- und der Sicherheitspolitik störte. Da half auch nicht mehr, dass Bürgermeisterin Franziska Giffey in allen Beliebtheitswerten deutlich vor ihrem CDU-Herausforderer rangierte.

Das sollte eine Warnung für Bürgermeister Peter Tschentscher sein. Zwar hat sich die SPD in den vergangenen Monaten von den Grünen emanzipiert und setzt wieder verstärkt eigene Duftmarken. Was in der Hafenpolitik nachvollziehbar ist, wirkt beim Kampf um die Windmühlen eher skurril: Es darf bezweifelt werden, dass Windanlagen in Naturschutzgebieten stürmische Begeisterung in der Wählerschaft wecken.

Wahrscheinlich wären viele Anhänger schon zufrieden, wenn sie weniger Angst vor Kriminalität und Gewalt haben müssten und mehr Parkplätze fänden. Das zeigt die Karte der Wahlergebnisse in Berlin: Die Verkehrswende, so sinnvoll und nötig sie ist, bleibt ein Thema der Innenstadt und der Szeneviertel – und ein Ärgernis in den äußeren Stadtbezirken. Zudem sollten sich die Sozialdemokraten die Frage stellen, ob grüne Themen stets Gewinnerthemen sind. In Berlin waren sie es jedenfalls nicht.

Und noch eine Lehre sollten die Parteien aus dem Berliner Ergebnis ziehen. Die Unzufriedenheit mit der Ampel ist groß – alle Bündnispartner haben verloren, die CDU profitiert. Dieser Trend ist fast schon Tradition: Wer immer das Land regiert, verliert oft in den Ländern. Für die FDP geht es damit schon wieder ums Über­leben – und für SPD und Grüne um die Macht. Es steht zu erwarten, dass sich beide mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 2025 in Zukunft häufiger streiten. Und auch wenn es unwahrscheinlich klingt: Der lachende Dritte könnte am Ende Dennis Thering von der Union sein.