Hajo Schumacher über die karnevalistische Abrechnung von Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) mit CDU-Größe Friedrich Merz.
WhatsApp-Nachricht vom Sohn. Das ist selten. In der echten Welt haben wir ein herzliches Miteinander, aber im digitalen Universum will er nicht mit mir gesehen werden. Der Junge schickt ein Karnevalsvideo. Noch seltener.
Das Filmchen zeigt eine Vampir-Dame, die sich CDU-Chef Friedrich Merz vornimmt. Noch nie vorgekommen. Seit der Junge zu Hause eine Überdosis Politik abbekommen hat, übt er sich im Ampel-Fasten. In den Songs seiner Band verspottet er gern die FDP. Aber jetzt feiert er eine Liberale: Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Frau hat einen jungen Menschen für politisches Geschehen im weitesten Sinne gewonnen. Danke dafür.
„StraZi“ ist ein Gewinn für die deutsche Politik
Man muss „StraZi“, wie Fans sie nennen, nicht wählen. Man muss ihre Positionen nicht teilen, ihren Ton nicht mögen. Gleichwohl ist die Frau aus Düsseldorf ein Gewinn für die Politik, erst recht für ihre Slimfit-Partei. Denn sie liefert, was vielen Wählerinnen und Wählern fehlt: Ecken, Spitzen, klare Kanten. Die begeisterte Motorradfahrerin mit der Autorität von dreifacher Mutterschaft, Berufstätigkeit und kommunalpolitischer Fron dümpelt nie im Lauen, sondern verteilt heiße oder kalte Güsse. So erzwingt sie Haltung, ganz gleich, ob dafür oder dagegen.
Zudem steht „StraZi“ für das Wiedererwachen eines Parlaments, das über eine Generation als Klatschgemeinschaft den Regierenden gedient hat. Für die Jüngeren: Nein, es ist nicht vornehmste Aufgabe der Abgeordneten, vom Kanzleramt gemocht zu werden. Zudem verlässt die Frau jene engen Sprachräume, in die sich eine manisch konfliktscheue Politik flüchtet; sie erweitert das diskursive Spielfeld. Was sie sagt, ist nicht so wichtig, sondern dass sie es sagt, ohne die albernen Tabubrüche, die verletzte ältere Herren zelebrieren. Der Sturm danach ist eingepreist.
Ihre wahre Größe wird sich allerdings erst zeigen können, wenn sich etwa das notorische Fordern von Waffen für die Ukraine als Irrweg erweist. Erst das Eingestehen von Fehlern macht Politik wirklich glaubwürdig. Ihr Auftritt in Aachen gehört nicht dazu.