Die Gesundheitspolitik steht vor der großen Aufgabe, eine flächendeckende und gut erreichbare Versorgung zu etablieren. Ein Balanceakt.
Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat im Juni 2019 u. a. auf Initiative von Schleswig-Holstein einen sehr weitreichenden Beschluss für eine qualitätsorientierte und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung beschlossen, und zwar mit den Stimmen aller Bundesländer.
Ein solcher Beschluss war notwendig geworden, weil das pauschalisierte Abrechnungsverfahren anhand Fallgruppen einen Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft ausgelöst hat, der politisch stärker als bislang begleitet und gesteuert werden muss. Insbesondere kleinere bis mittelgroße Kliniken in der Fläche stehen inzwischen vor Herausforderungen, die sie kaum noch bewältigen können. Grund dafür sind Regelungen auf Bundesebene, deren Umsetzung immer schwieriger wird, wie die planungsrelevanten Qualitätsvorgaben des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie Regelungen zu Notfallstufen, Zentren und Schwerpunkten oder auch Personaluntergrenzen.
Gesundheitsminister der Länder müssen sich der Aufgabe stellen
Die Gesundheitspolitik steht vor der großen Aufgabe, eine flächendeckende und gut erreichbare Versorgung zu etablieren, die gleichzeitig höchste Qualitätsanforderungen erfüllt, gut finanzierbar ist und über ausreichend ärztliches und pflegerisches Personal verfügt. Das ist ein Balanceakt, dem sich insbesondere die Gesundheitsminister in den Bundesländern stellen müssen und der zunehmend schwieriger wird. Die vergangenen zweieinhalb Jahre haben deutlich gezeigt, wo unser System leistungsfähig ist und wo dringender Handlungsbedarf besteht. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern haben wir beispielsweise eine hohe Verfügbarkeit von Intensivkapazitäten, die dafür gesorgt haben, dass wir mit zwei blauen Augen durch die Pandemie gekommen sind hinsichtlich der Krankenhausauslastung. Bei der Zusammenarbeit zwischen den Sektoren oder bei der Weiterentwicklung zukunftsfähiger Krankenhausstrukturen hinken wir dagegen hinterher.
Unsere mehr als 80 Millionen potenziellen Patientinnen und Patienten in Deutschland dürfen eine Gesundheitsversorgung erwarten, die auch in Zukunft krisenfest ist. Zahlreiche Kliniken sind derzeit aufgrund hoher Energiepreissteigerungen von der Insolvenz bedroht, was zu einem unkontrollierten Strukturwandel werden kann, wenn der Staat hier nicht rettend eingreift. Unsere Krankenhäuser brauchen daher neben schnellen Soforthilfen zur Überbrückung pandemie- und inflationsbedingter Liquiditätsengpässe eine grundlegende Reform der Vergütung, ausreichende Investitionsmittel sowie mehr Planungssicherheit durch klare und verlässliche politische Entscheidungen.
Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung spielt zentrale Rolle
Eine zentrale Rolle für eine langfristige Versorgungssicherung spielt eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung. Ziel muss sein, ein transparentes und ausreichend flexibles Vergütungssystem zu etablieren. Die durchaus existierenden Vorteile des Fallpauschalensystems müssen fortentwickelt und dessen Fehlentwicklungen konsequent korrigiert werden. Es muss ein neues System geschaffen werden, das eine erlösunabhängige Finanzierungskomponente zur Refinanzierung von Vorhaltekosten, also Fixkosten wie Personal oder das Vorhalten einer Notaufnahme, enthält sowie neu justierte leistungsbezogene Fallpauschalen für variable Kosten, beispielsweise Medikamente, Implantate und Transplantate oder sonstigen medizinischen Bedarf. Nur so können alle Formen der qualitätsgesicherten Leistungserbringung angemessen finanziert und dabei zugleich die jeweils spezifischen Vorhaltekosten pauschal vergütet werden.
Die geplante Reform des Bundes weist hierbei im Hinblick auf die geplanten erlösunabhängigen Komponenten (Basisfinanzierung oder Finanzierung von Vorhaltekosten) in die richtige Richtung. Allerdings sind die bislang daran gekoppelten Vorstellungen des Bundes zur Strukturanpassung „von oben“ für die Bundesländer vollkommen inakzeptabel und gehen klar an den Versorgungsbedarfen in der Fläche vorbei. Den zentralistischen Plänen des Bundesgesundheitsministers kann aber seitens der Länder nur dann erfolgreich begegnet werden, wenn die Landespolitik bereit ist, mutige Entscheidungen zu treffen, die zur Verbesserung der Versorgungsstruktur in den Bundesländern führen. Dazu gehören die Sicherstellung ausreichender Investitionsmittel, insbesondere für strukturverbessernde Maßnahmen wie beispielsweise Standortzusammenführung mehrerer Kliniken zu einem (neuen) Zentralklinikum, oder die sektorenverbindende Versorgung, also z. B. die Überführung kleiner Krankenhäuser in ein modernes medizinisches Versorgungszentrum ggf. ergänzt durch spezielle Angebote der Pflege.
Krankenhäuser brauchen Planungssicherheit, und das bedingt, dass Krankenhausplanung nicht länger de facto durch die Hintertür der Finanzministerien gesteuert werden darf. Die Sicherung ausreichender Investitionen für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem ist eine vordringliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und muss zur Schwerpunktsetzung jeder Landesregierung in jedem Bundesland gehören.