Warum der Migrationshintergrund für die Erklärung der Silvestergewalt wichtig ist.

Bei der Analyse der Silvesterkrawalle besteht inzwischen Konsens über zwei Phänomene: dass sie in Berlin und anderswo eine „neue Qualität“ und die Täter „überwiegend einen Migrationshintergrund“ hatten. Ihre Ursachen zu benennen und auf den Grund zu gehen, ist für den Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Thomas Biesener, notwendig, um „kommende Kriminalität zu reduzieren“.

Dabei habe Kriminalität zunächst „nichts mit Ethnien zu tun“. Aber eine „Ethnie kann ein Indikator für Risikofaktoren sein, die Kriminalität begünstigen“. Zudem ist der Migrationshintergrund bei Straftätern auch Integrationsbarometer sowie Wegweiser für die künftige Integrations- und Zuwanderungspolitik.

Dumm ist nur, dass wir bis heute gar nicht wissen, wie hoch der Anteil der Straftäter mit Migrationshintergrund in der Silvesternacht in Berlin oder Hamburg war, weil die Polizei in beiden Städten in der Regel nur über die Staatsangehörigkeiten von Tatverdächtigen informiert. Das Abstellen insbesondere auf die deutsche Staatsangehörigkeit klärt jedoch nicht auf, sondern führt in die Irre. Ohne Hintergrundwissen erweckt der Begriff „Deutsche Staatsangehörigkeit“ nämlich den falschen Eindruck, dass diese Personen deutschstämmig sind. Das ist mitnichten der Fall.

Alle Kinder, die von zwei ausländischen Elternteilen in Deutschland geboren werden, erhalten in der Regel die deutsche Staatsbürgerschaft. Nach der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge besitzt die Hälfte der mehr als fünf Millionen Muslime die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit sagt also nichts über den Migrationshintergrund aus.

Die von Diskriminierungsangst geprägte politische Korrektheit blockiert die Ursachenforschung der Silvesterkrawalle

Warum uns die Berliner und die Hamburger Polizei wenig brauchbare Zahlen für die Analyse der Silvestergewalt liefern, hängt mit gesellschaftlichen Befindlichkeiten zusammen, die sich im Pressekodex des Deutschen Presserates widerspiegeln. An ihnen orientieren sich die Polizeipressestellen in Berlin und Hamburg. Nach ihnen soll „grundsätzlich darauf geachtet werden“, dass in Pressemitteilungen die „Herkunft bzw. Nationalität der Tatverdächtigen nicht benannt“ wird, von Ausnahmen abgesehen.

Diese von Diskriminierungsangst geprägte politische Korrektheit blockiert die Ursachenforschung der Silvesterkrawalle. Weiter kommt man nur über Umwege, in Berlin in diesem Fall über die einzelnen Herkunftsländer der Festgenommenen mit ausländischen Pässen. Nach ihnen stammten mindestens 56 Prozent der Tatverdächtigen aus muslimisch geprägten Ländern. Geht man davon aus, dass sich unter den Festgenommenen mit deutschem Pass weitere muslimische Jugendliche befinden, kann man ohne Fahrlässigkeit annehmen, dass in Berlin mindestens zwei Drittel der Tatverdächtigen muslimische Wurzeln hatten.

Die neue Qualität der Silvestergewalt ist nur durch ein Ursachenbündel zu erklären. Für den Züricher Kriminologen Baier sind die Silvesterkrawalle ein „Jugendgewaltphänomen“ und damit auch ein Ausschnitt der seit 2015 wieder steigenden Zahl von Gewaltdelikten Jugendlicher und Heranwachsender und der wachsenden Gewalt gegen Repräsentanten des Staates.

Nach der Analyse des Hannoveraner Kriminologen Biesener sind vor allen „Integrationsdefizite“ und die „soziale Lage“ für die Gewaltausbrüche beim Jahreswechsel mitverantwortlich. Der Risikofaktor soziale Lage besteht migrationsunabhängig. Bei muslimischen Jugendlichen kommen Defizite bei der kulturellen Integration hinzu, bei der Einordnung in unsere Wert- und Rechtsordnung.

Die Empfehlungen des Pressekodexes sollten korrigiert werden

Dazu gehören nicht nur das Tragen eines Kopftuches oder ein verweigerter Handschlag, sondern auch das Verhältnis zur Gewalt und die Akzeptanz von Demokratie und Rechtsstaat. Hier erweist sich bei den meisten Muslimen ihre Herkunft als Hypothek. Nach Umfragen stammen 90 Prozent der muslimischen Zuwanderer aus Ländern ohne rechtsstaatliche oder demokratische Tradition.

Ein weiterer kultureller Risikofaktor für Gewalt bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind nach Ansicht des Züricher Kriminologen Baier „Gewaltaffinität“ und „gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen“. Nach Schülerumfragen in Niedersachsen sind sie unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund verbreiteter als unter ihren Altersgenossen ohne Migrationshintergrund, und zwar um vier bis zehn Prozent.

Fazit: Die Empfehlungen des Pressekodexes sollten korrigiert werden, weil sie geeignet sind, die Öffentlichkeit über Tatverdächtige und die wahren Ursachen von Kriminalität zu täuschen.