Die Rückkehr der Hamburger in die Bundesliga ist laut vieler Experten nur noch Formsache.
Können Sie etwas mit dem „Illusory Truth Effect“ anfangen? So nennt sich ein in Labortests eindeutig nachgewiesener Wahrheitseffekt, der besagt: Je häufiger Menschen eine Aussage hören – wie unwahr sie auch ist –, desto eher neigt unser Gehirn dazu, sie für bare Münze zu nehmen. Ein Phänomen, das sich zunehmend auch Politikerinnen und Politiker zunutze machen. Jemand, der dieses Werkzeug zur Manipulation eines Volkes nahezu perfektioniert hat, brachte es sogar bis ins Amt des Präsidenten der USA.
Aber besonders auch im Sport hat sich dieser Wahrheitseffekt in die Köpfe der Fans geschlichen. Sie kennen das sicher von sich selbst, sofern Sie Anhänger oder zumindest Sympathisant eines Vereins sind. Je länger das letzte negative Erlebnis zurückliegt und je mehr optimistische Äußerungen Sie im Laufe der Woche aufnehmen von Spielern, dem Trainer oder Funktionären, desto sicherer sind Sie: Der Sieg ist unser. Dabei übersetzt Ihr Gehirn die in vielen Variationen immer wieder gebrauchte Phrase „Wir wollen gewinnen“ in „Wir werden gewinnen“.
Der Wahrheitseffekt: DerHSV ist nicht mehr aufzuhalten?
Herrlich unsinnig diesbezüglich ist auch der Zeitraum vor Beginn oder der Wiederaufnahme einer Saison. Fast schon inflationär äußerten sich Fußballexperten – so darf sich im Grunde jeder nennen, der selbst einmal gegen den Ball getreten hat – über die Aufstiegschancen des HSV in 2023. Ihr Gehirn hatte eigentlich keine Chance, als vor dem ersten Rückrundenspiel der Hamburger am Sonntag gegen Eintracht Braunschweig festzustellen: Dieser HSV ist nicht mehr aufzuhalten auf dem Weg zurück in die Bundesliga, Dieses Mal sind sie aber wirklich, ganz bestimmt und ohne Widerrede, dran mit dem Aufstieg. Falls Sie sich jetzt ertappt fühlen, Sie müssen sich dafür nicht schämen. Wahrheitseffekt eben, da können Sie einfach nichts machen. Auch wenn der Wert solcher Prognosen Richtung null geht.
Ohne Ihnen jetzt die Vorfreude auf die 2. Fußball-Bundesliga nehmen zu wollen, sofern Sie Anhänger des HSV sind: Ein Blick auf die vergangenen vier gescheiterten Versuche reicht bereits, um die Erwartungshaltung zurechtzuruckeln. Immer stand der Club nach der Hinrunde auf einem der drei Aufstiegsplätze, aber nur in der vergangenen Spielzeit 2021/22 hielt sich der HSV auf dem Relegationsplatz, um dann gegen den Hauptstadtclub Hertha BSC knapp den Kürzeren zu ziehen.
Das Argument, sich dieses Mal gegen keine starken Absteiger wie Werder oder Schalke behaupten zu müssen, verfängt ebenfalls nicht auf den ersten Blick. Seit 2018 landeten Teams wie Paderborn (damals als Zweitligaaufsteiger), Heidenheim, Fürth oder Kiel vor den Rothosen. Wenn wir von Wahrscheinlichkeiten sprechen, ist die Ausgangslage für den HSV selbstverständlich besser bei fünf Punkten Vorsprung auf den Tabellenvierten Kaiserslautern.
Beim Blick auf die aktuelle Bundesligatabelle wird zudem schnell deutlich, dass bei potenziellen Absteigern vom Kaliber Schalke 04 oder Hertha BSC die direkten Aufstiegsplätze in der nächsten Saison deutlich schwieriger zu erreichen sein dürften.
Machen wir also den Wahrheitseffekt-Test
Wo wir gerade bei Wahrscheinlichkeiten sind: Stets gehen vor allem jene Clubs als Erste über die Ziellinie, die sich auf Sportliches konzentrieren können. Auch wenn man beim HSV vorsichtig mit solchen Aussagen sein sollte, so scheint es, als ob nur die Doping-Affäre um Mario Vuskovic, dessen Fall im Februar vor dem DFB-Sportgericht in Frankfurt (Main) verhandelt wird, als Störfaktor wahrgenommen werden könnte.
Die Vorstandsverträge von Jonas Boldt und Eric Huwer sind genauso unterzeichnet wie der neue Kontrakt von Trainer Tim Walter. Wenn es nun HSV-Präsident Marcell Jansen, der die beiden Abwahlanträge unbeschädigt überstanden hat, gelingt, den Aufsichtsrat geräuschlos neu zusammenzustellen, ist auch diese Baustelle geschlossen.
Machen wir also den Wahrheitseffekt-Test: Dass nur 50 Prozent der Saison absolviert sind? Spielt keine Rolle. Tim Walter hat bewiesen, dass er mit dem HSV in einer Rückrunde mehr Punkte als in der Hinserie holen kann. Die Neuzugänge haben Qualität, schlagen sofort ein. Robert Glatzel schießt noch einmal elf Tore und bleibt unverletzt. Und der HSV holt ungefährdet mit 68 Punkten die Zweitligameisterschaft. Glauben Sie auch? Geht doch.