Hamburg. Das Fest feiern auch Diktatoren und ihre Vasallen. Es hat viele Urheber, aber eine gute Botschaft.

Für Menschen, die dem Frieden nachjagen, ist es kaum vorstellbar, dass in diesem Jahr auch Putin und sein Kirchenvasall, Patriarch Kyrill, Weihnachten feiern werden – nach dem orthodoxen Kalender erst im Januar. Die Friedensbotschaft aus der Weihnachtsgeschichte im 2. Kapitel des Lukasevangeliums, die auch in der Göttlichen Liturgie der Russischen Orthodoxen Kirche erklingt, dürfte aber diesmal vom Donner der Kanonen in der Ukraine übertönt werden.

Nicht einmal ein Weihnachtsfrieden ist in Aussicht gestellt. Gekämpft und gestorben wird wohl auch in der Heiligen Nacht. Die Ukrainer sind zu keiner Zeit, da an die Geburt Jesu erinnert wird, vor den Tod und Zerstörung bringenden russischen Drohnen und Raketen sicher.

Weihnachten ist ein Fest mit vielerlei Zutaten

Für Weihnachten gibt es kein Copyright. Diktatoren und ihre Schergen feiern das Fest in allen Epochen der Geschichte genauso wie das einfache Volk. Gott muss und wird diese Scheinheiligkeit seiner Geschöpfe aushalten. Weihnachten ist, kulturgeschichtlich betrachtet, ohnehin ein Fest mit vielerlei Zutaten und allzumenschlichen Spezereien. Die ersten Christen waren bis zum vierten Jahrhundert nach Christus nur wenig am Datum der Geburt ihres Heilands interessiert.

Ihnen waren Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi wichtiger. Weihnachten feierten sie nicht. Erst die römische Kirche legte später das Datum der Geburt Jesu im Stall von Betlehem auf den 25. Dezember fest – als christliche Antwort auf den heidnischen Kult um die „Unbesiegbare Sonne“ (sol invictus). Seitdem gehörten heidnische Elemente wie die germanische Wintersonnenwende, die zu Hitlers Zeiten als „Bekenntnisfeier für Volk und Führer“ inszeniert wurde, zum Portfolio des Festes.

Die moderne Familie beansprucht das Copyright für Weihnachten

Bis zur Entstehung der bürgerlichen Familie im 18. Jahrhundert war Weihnachten im deutschsprachigen Raum vorrangig ein christliches Fest. Doch die Familie brauchte etwas, um sich selbst zu feiern und ihre Beziehungen durch den alljährlichen Gabentausch zu kitten. Also fand sie in der Heiligen Familie mit dem Jesuskind ein veritables Vorbild. Und in den Heiligen Drei Königen aus dem sogenannten Morgenland, die dem Baby Gold, Weihrauch und Myrrhe brachten, die ersten Geschenkebringer.

Die moderne Familie beansprucht seit ihrer Entstehung also das Copyright für Weihnachten, was durch die Erfindung des Weihnachtsmanns mit dem knallroten Mantel aus der US-amerikanischen Coca-Cola-Werbung als anonymer Geschenkebringer einen weiteren Höhepunkt erreichte.

Der Weihnachtsbaum mit seinen roten Kugeln soll an den Sündenfall erinnern

Angesichts dieser Entwicklung wundern sich heute immer mehr Menschen darüber, dass es Christen und andere religiöse Sinnsucher gibt, die Weihnachten als kirchliches Fest feiern. Sie besuchen Christvespern und Christmetten, singen alte Weihnachtslieder und stellen eine Krippe unter den Weihnachtsbaum. Der soll mit seinen roten Kugeln an den Apfelbaum aus dem Paradies und damit an den Sündenfall erinnern.

Erstmals traten diese Bäume übrigens im 14./15. Jahrhundert in Straßburg auf. Seinen Siegeszug trat der Weihnachtsbaum im deutsch-französischen Krieg 1870/71 an. Nachdem deutsche und französische Offiziere geschmückte Tannenbäume in die Schützengräben gestellt hatten, sorgten die Soldaten für die weitere Verbreitung in ihrer Heimat. So waren auch Landser an der Collage des modernen Christfestes mit beteiligt.

Die religiöse Neutralisierungswelle schwappt aus den USA nach Europa über

Die kulturelle Transformation dieses Fes­tes geht bis in die Gegenwart weiter. Auch in Hamburg ist sie neuerdings wahrzunehmen. So wünscht jetzt ein großer Kaffeehändler in den Schaufenstern seiner Filialen „Happy Holidays“ (Frohe Ferientage). Die religiöse Neutralisierungswelle schwappt seit Jahren aus den USA nach Europa über und will jene Menschen zu Weihnachten nicht vor den Kopf stoßen, die mit dem Christlichen gar nichts am Hut haben. Wohl deshalb verzichtet dieser Hamburger Kaffeehändler darauf, seinen Kunden „Fröhliche Weihnachten“ oder wenigstens ein „Frohes Fest“ zu wünschen. Frohe Ferientage – das soll reichen.

Dieses Handeln mag gedankenlos sein. Aber es kann auch Kalkül haben, wenn das Ziel dahintersteckt, sich politisch korrekt zu verhalten. Auch die Grünen in der Bundesregierung lassen sich von dieser Ideologie leiten. So haben sie, um ausländische Gäste nicht zu düpieren, beim G-7-Treffen im Rathaus von Münster das Kreuz entfernt. Und im Auswärtigen Amt in Berlin wurde das Bismarck-Zimmer in „Saal der Deutschen Einheit“ umbenannt. Nach Protesten hat nun das Auswärtige Amt allerdings in Bonn ein Zimmer für den Reichsgründer eingerichtet.

Geschichte lässt sich nicht tilgen. Und der christliche Kern von Weihnachten auch nicht. Die Kirchen und ihre Gläubigen beanspruchen zu Recht weiterhin das Copyright an Weihnachten. Denn nur sie haben die wichtigste Nachricht für die krisen- und kriegsgeplagte Welt parat: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“