Hamburg. Abendblatt-Kolumnist Hajo Schumacher schreibt über festliche Fettnäpfchen und Zoff unter dem Weihnachtsbaum.

Mal sehen, an welcher Lunte sich der Weihnachtsstreit diesmal entzündet. Essen geht immer. Darf man Tiere verspeisen, die nur für diesen Tag gemästet wurden? Und Einwickelpapier? Geht gar nicht. Nachhaltigkeitsexperten wissen: Präsente werden in japanische Tücher gewickelt, die sich wiederverwenden lassen, sofern die Wachsflecken nicht stören.

Und der Baum natürlich. Ist der bio? Oder aus einer ukrainischen Schonung? O du schreckliche: eine Bluttanne. Schon wird „Stille Nacht“ nur unter Protest abgesungen. Die Kinder kleben, zum Glück nur vor dem Fernseher, eingerollt in Decken. Heizen birgt in diesem Jahr politischen Zündstoff. Die angeberischen Nachbarn lassen die Festtage über ihre Fenster weit aufstehen.

Zoff unterm Baum entfaltet seine Pracht

Früher haben sie mit ihrem SUV geprotzt. Weiteres Konfliktpotenzial benötigt: Putin? Habeck? Flick? Gesamtsituation? Geht immer. Profitipp: Die letzten Tage vor dem Fest unbedingt abhetzen und die Anreise mit der Bahn planen. Nur maximal gestresst entfaltet der Zoff unterm Baum seine Pracht. Übergroße Erwartungen sind ebenfalls hilfreich. Familienoberhäupter, also meistens Mütter, wünschen sich insgeheim nur eines: Frieden. Ein höhnisches „Du immer mit deinem Harmoniegedusel“ ist möglichst früh abzufeuern.

Als Turbo wirkt das Gemahnen an vergangene Feste, etwa: „1973 hast du die gute Tischdecke auch schon mit Rotwein ruiniert.“ Damit der Streit nicht vorschnell abkühlt, hilft konsequentes Verallgemeinern. Worte wie „immer“ oder „nie“ oder „alle“ oder „keiner“ lassen sich wunderbar kombinieren, etwa zu: „Immer redest du Unsinn, nie lässt du mich ausreden, alle sind genervt, keiner mag dich.“ Fortgeschrittene Zündler animieren die Enkel zu Auftragsbasteleien wie einem hübschen Reichsbürgerpass für Schwiegeropa. Das rummst.

Sherry und Kopfhörer können helfen

Weihnachtsprofis dagegen stülpen rechtzeitig die Kopfhörer über, trösten sich mit Sherry, möglichst bio und aus demokratischem Anbau und erinnern sich an Maria und Josef, deren erste Weihnacht im Zauber des Ungeplanten einfach geschah.