Hamburg. Die CDU hat die Versäumnisse der Merkel-Ära nicht aufgearbeitet – und ihren neuen Kurs noch nicht gefunden.
Opposition, das wusste schon der große Sozi Franz Müntefering, ist „Mist“. Man sitzt wie die beiden griesgrämigen alten weißen Puppen Statler und Waldorf in der „Muppet Show“ im Rang und kann das Treiben auf der Bühne nur mit giftigen Kommentaren und gehässigen Zwischenrufen begleiten.
Das Programm geben andere vor. Ist die Opposition zu freundlich, wird sie kaum wahrgenommen; zugleich aber muss man sich angesichts des Lärms von AfD und Linken zurückhalten. Konservative Wähler reagieren allergisch darauf, wenn sich ihre Union plötzlich bei Rechten und Linken unterhakt.
Inflation auf zehn Prozent gestiegen
Die jüngste Kritik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an der Ampel aber ist unterirdisch: Im Internet ziehen die beiden Schwestern unter ampeldeutschland.de eine vernichtende Bilanz des ersten Jahres der Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP. So weit, so normal. Dabei tun sie so, als ob eine unionsgeführte Regierung alles besser machen würde: Der Strom, so lesen die Bürger da, ist um 48 Prozent teurer geworden. Die Höhe der Schuldenzinsen ist gar um 1117 Prozent emporgeschnellt. Die Inflation hat sich auf zehn Prozent fast verdoppelt. Der Exportüberschuss ist um fast 46 Prozent zurückgegangen. Und die Zahl der Asyl-Erstanträge ist um 43 Prozent gestiegen. Und um 15,4 Prozent gingen die Bauanträge für Einfamilienhäuser zurück.
Ob Häuslebauer schon bei Scholz’ Regierungserklärung ihren Bauantrag weggeworfen und Energieversorger die Preise erhöht haben? Hmm. Da war doch noch was. Zum einen hat sich die Ausgangslage für die Ampel durch Putins Krieg radikal verändert. Und zum anderen müssen SPD, Grüne und FDP die Trümmer einer fatalen Politik bis 2021 wegräumen. Bis dahin regierte 16 Jahre eine Kanzlerin mit CDU-Parteibuch. Und die bestimmte die Richtlinien der Politik.
Union und FDP beschlossen überstürzte Energiewende
Warum Strom teuer ist, könnte auch damit zu tun haben, dass 2011 Union und FDP eine überstürzte und schlecht gemanagte Energiewende beschlossen haben. Wo sind denn die Erneuerbaren? Und wo die Stromtrassen? Wer hat noch gleich Nord Stream 1 und 2 gebaut? Die Grünen jedenfalls nicht. Der Abstieg der Wirtschaftsnation Deutschland begann ebenfalls nicht erst in diesem Jahr, sondern mindestens fünf Jahre zuvor. Leider hat es die Union nicht einmal gemerkt. Stichwort Asyl – wer hat im europäischen Alleingang 2015/16 die Tore für mehr als eine Million Flüchtlinge geöffnet? Migration verstärkt sich übrigens selbst. Erst seitdem ist Deutschland Hauptziel in Europa.
Die Entwicklungen von Zinsen, Inflation und Baupreisen werden zudem nicht im Kanzleramt beschlossen, sondern sind Folgen der Marktverwerfungen infolge des Ukraine-Krieges. Die Steigerungsraten haben kein Parteibuch, sie treffen alle Staaten in Europa – wenn auch in unterschiedlicher Dimension. Fakt allerdings ist, dass der Euro derzeit besonders schwächelt und die Preise treibt – was nicht nur, aber auch damit zu tun haben könnte, dass die Kommissionspräsidentin jedes europäische Problem mit viel Geld lösen möchte. Ein Milliardenprogramm jagt das nächste, der eigentlich vereinbarte Schuldenabbau gilt nicht mehr. Ursula von der Leyen ist, Sie ahnen es, CDU-Politikerin.
Jetzt sollten Kurskorrekturen abgeleitet werden
Da beschleichen mich Zweifel, ob alles anders, ja besser wäre, wenn die Union die Wahl gewonnen hätte. Wer das wirklich glaubt, stelle sich einen Kanzler Armin Laschet vor, an der Spitze von Jamaika.
Glaubwürdiger wäre, die eigenen Versäumnisse anzuerkennen und daraus Kurskorrekturen abzuleiten. Der Einzige, der dies in der Union macht, ist auf dem Weg in den Ruhestand: Wolfgang Schäuble. Viele andere merkeln sich mit einem unklaren Wohlfühlkurs durch – allen wohl, niemandem weh. Wenn der Kanzler nur vorsichtig über die Rente mit 63 nachdenkt, empört sich die CSU. Und CDU-Außenexperte Norbert Röttgen reimt sich viel zu oft auf Annalena Baerbock.
Performance der Union ausbaufähig
Dabei gebe es durchaus ein paar Themen, die die Christdemokraten wieder über die 30-Prozent-Marke bewegen könnten. Was muss passieren, damit Deutschland wieder nach vorne kommt? Wovon will die Industrienation in Zukunft leben? Wie sieht eine zeitgemäße Migrationspolitik aus, die eigene Interessen nicht verleugnet? Wie gelingt der Zusammenhalt in einer Gesellschaft, die von der Identitätspolitik zerrissen wird? Die Ampel-Performance mag ausbaufähig sein – die der Union ist es zweifelsohne auch.