Hamburg. Alle diskutieren über einen Bierhoff-Ersatz beim DFB, wichtiger aber ist die Hopfen-Nachfolge bei der DFL.
40 Minuten. So viel Zeit lag am Mittwochabend zwischen den beiden Pressemitteilungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL). Um 18.21 Uhr verkündete zunächst der DFB, dass nach dem Aus von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff zumindest Bundestrainer Hansi Flick im Amt bleiben werde. Das Kommuniqué war mit heißer Nadel gestrickt, nicht mal für eine Überschrift reichte die Zeit.
Um 19.01 Uhr war dann die DFL dran – sogar mit Überschrift. Dort hieß es wenig überraschend über das Aus der bisherigen Chefin: „Donata Hopfen legt Geschäftsführung nieder.“ Zwei Meldungen, die nicht nur eine ähnliche Uhrzeit, sondern auch einen ähnlichen Inhalt hatten: DFB und DFL, die wichtigsten Verbände des deutschen Fußballs, sind – zumindest offiziell – führungslos.
Bei der DFL-Personalie geht es um Milliarden
40 Minuten mit Nachspielzeit. So lange dauerte am Tag danach die Pressekonferenz, in der Hans-Joachim Watzke die Geschehnisse einzuordnen versuchte. Der DFB-Vizepräsident und DFL-Aufsichtsratschef in Personalunion, der offiziell Geschäftsführer von Borussia Dortmund und inoffiziell der mächtigste Fußballfunktionär in Deutschland ist, war bemüht darum, die Wogen zu glätten. Der DFB habe keinen Zeitdruck, die vakante Stelle von Bierhoff nachzubesetzen – und die DFL sei mit der Interims-Doppelspitze mit Oliver Leki (SC Freiburg) und Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) für Hopfen erst einmal gut aufgestellt.
Watzkes Plädoyer für Gelassenheit tat gut, war aber geflunkert. Denn in Wahrheit geht es bei der Besetzung der Führungsspitzen von DFB und DFL um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft des deutschen Fußballs. Interessant dabei: Während ganz Fußball-Deutschland in diesen Tagen über einen möglichen Bierhoff-Nachfolger rätselt, ist die wirklich entscheidende Personalentscheidung die des nächsten DFL-Chefs – oder die der nächsten DFL-Chefin. Bei der DFB-Personalie geht es um Millionen, bei der DFL-Personalie geht es um Milliarden.
„Das ganze System passt einfach so nicht mehr"
Auf Lekis und Hellmanns Prioritäten-Liste stehen gewichtige Themen wie die Beibehaltung der 50+1-Regel, der mögliche Einstieg eines Investors, die Auslandsvermarktung, die Digitalisierung, der neue Grundlagenvertrag mit dem DFB und die kommende Ausschreibung der Medienrechte. Und als wenn das alles nicht schon mehr als genug wäre, müsste auf der DFL-To-do-Liste auch noch die langfristige Zukunft der Nationalmannschaft stehen. Denn klar ist auch: Ein neuer DFB-Bierhoff hat ohne die Hilfe der DFL, also des Zusammenschlusses der 36 Proficlubs, mittelfristig keine Chance, den deutschen Fußball-Nachwuchs besser zu fördern.
In diesem Zusammenhang war die Fundamentalkritik, die Union Berlins Manager Oliver Ruhnert im „Kicker“ formulierte, interessant. „Das ganze System passt einfach so nicht mehr. Wir sind im Gesamtbereich des DFB, der Direktion Nationalmannschaften schlecht aufgestellt – und das von unten bis oben“, sagte der 51-Jährige, der mit seiner vernichtenden Kritik vor allem den scheidenden Bierhoff gemeint haben dürfte.
Auch HSV und St. Pauli haben mit dem großen Ganzen zu tun
Und Ruhnert hat Ahnung. Sechs Jahre lang war er Leiter der viel gepriesenen Knappenschmiede von Schalke 04. Einerseits. Andererseits ist er seit fünf Jahren in verantwortlicher Position bei Union. Und Berlins Beitrag zur deutschen Nachwuchsförderung: null Prozent Einsatzzeit von eigenen Talenten in Pflichtspielen. Der SC Freiburg darf sich dagegen über 34 Prozent freuen. Und auch der HSV in der Zweiten Liga hat beeindruckende sieben Eigengewächse im Kader, der FC St. Pauli hat immerhin noch vier Talente.
Was die Kleinen (HSV und St. Pauli) mit dem großen Ganzen zu tun haben? Bei der Gesundung des deutschen Fußballs ist jeder gefragt. Bayern genauso wie Sandhausen. Insofern ist es gut, dass mit dem gewieften BVB-Funktionär Watzke einer am Ball ist, der sowohl die Interessen der DFL als nun auch die Interessen des DFB im Auge hat. Watzke war es auch, der am Donnerstag daran erinnerte, dass aktuell immer noch vier deutsche Clubs in der K.-o.-Phase der Champions League und drei deutsche Clubs in der Europa League aktiv sind. Mit anderen Worten: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.