Der Plan der Innenministerin ist schlicht und ergreifend vernünftig. Wir brauchen gute Leute und die Leute sollen mitmachen können.

Deutschland streitet über die Einbürgerung. Und Deutschland feiert im Dezember Weihnachten. Die beiden Aussagen sind ähnlich sensationell.

Ohne Jux: Das Thema Einbürgerung war mal wieder dran, oder? Damit meine ich nicht nur, dass es wirklich „dran“ ist im Sinne von reformbedürftig. Sondern auch den eigentümlichen, ja wohlig schmerzhaften Reiz, den solche Debatten zu entfalten pflegen. Und ist es nicht auch schön, uns endlich mal wieder nicht mit unserer globalen Bedeutungsarmut, sondern mit unserem tollen Land zu befassen, in das viele Leistungsträger kommen wollen, um hier gute Staatsbürger zu werden, wie wir uns gern versichern?

Und ist es nicht auch unterhaltsam, wenn politisch auf die Pauke gehauen wird, sei es als „gutbürgernde“ Attacke auf altmodisches „Biodeutschtum“, sei es als „wutbürgernder“ Protest gegen das Verhökern der deutschen Staatsbürgerschaft?

Fast 11 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben in Deutschland

Hinzu kommen historische Schwingungen: Ums städtische Bürgerrecht stritten sich schon im Mittelalter die Stadtoberen, die Bürger anlocken wollten, mit den Alteingesessenen, die ihre Privilegien lieber im kleinen Kreis genießen wollten. Nicht zufällig bildete sich in Deutschland ein besonders abwehrendes Verständnis von Staatsbürgerschaft heraus.

Doch nun tut sich was. Fast 11 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben in Deutschland. Etwa die Hälfte seit mindestens zehn Jahren. Von denen wurden 2021 nicht einmal zweieinhalb Prozent eingebürgert. Das ist wenig. Weniger als in anderen EU-Staaten.

Das sollen mehr werden. Die Bundesregierung plant, dass die Menschen nicht mehr acht Jahre vor ihrer Einbürgerung in Deutschland leben müssen, sondern nur fünf, sogar nur drei Jahre bei guten Leistungen in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Ehrenamt. Außerdem ist geplant, dass Menschen nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes aufgeben müssen, um die deutsche zu erhalten.

Gegen den Vorstoß ist nichts Substanzielles zu sagen

Nein, bei allem Respekt vor dem Bedürfnis nach identitätspolitischer Keilerei, das ja nun auch nicht mehr durch GroKo-Bremsmanöver und übertriebene AfD-Verklemmungen behindert wird: Gegen den Vorstoß ist nichts Substanzielles zu sagen. Es ist hübsch zugespitzt, wenn Thorsten Frei von der CDU davor warnt, dass man „flächendeckend mit dem deutschen Pass um sich wirft“. Aber das hat natürlich niemand vor. Der Plan der Innenministerin ist schlicht und ergreifend vernünftig.

Und dass die Chefin der „Wirtschaftsweisen“ und der Bundesverband mittelständische Wirtschaft betonen, im Sinne der Attraktivität der deutschen Wirtschaft sei er zu begrüßen, signalisiert ganz klar, worum es geht: Wir brauchen gute Leute. Und die Leute sollen mitmachen können. Natürlich mit Wahlrecht, natürlich mit „unverwirkbarem“ Aufenthaltsrecht, wie es auf Amtsdeutsch heißt, natürlich ohne unzeitgemäße Schikane.

Friede, Freude, Eierkuchen? Natürlich nicht

Friede, Freude, Eierkuchen also? Natürlich nicht. Mit mehr Pässen, mehr stimmungsvollen Einbürgerungsfeiern ist es nicht getan. Mit Schnelligkeit und Flexibilität, aber auch mit Sorgfalt und Wachsamkeit muss man dem Fachkräftemangel beizukommen versuchen. Natürlich sollte klar sein, dass die erleichterte Einbürgerung keine asylpolitische „Alle können kommen“-Fanfare ist, auch wenn „Gutbürger“ und „Wutbürger“ das gern so hätten.

Im „Münchner Merkur“ hieß es sogar, die leichtere Vergabe des Passes sei „ein Spiel mit dem Feuer“, da die Regierungsparteien „ein neues Einladungssignal in die Welt setzen, das – so wie seinerzeit Merkels Willkommenskultur – nirgendwo überhört werden dürfte“. Nein, diese Sorge bestätigt zwar unser Klischee vom Charakter der schmerzhaft-wohligen, der gern auch mal abdriftenden Einbürgerungsdebatte. Doch mit einer klugen Abwägung der Folgen einer klugen Weichenstellung hat sie nichts zu tun. Zum Glück.