Die Sehnsucht nach dem traditionellen Auftakt kann wohl auch Gefängnismauern überwinden. Was für eine Narretei.

Er hatte nur noch ein paar Tage, es waren 28, aber er hielt es einfach nicht mehr aus. Ein Häftling, der wegen eines Betäubungsmitteldelikts in der Justizvollzugsanstalt Euskirchen einsaß, hat sich kurz vor dem Ablauf seiner Strafe aus dem Staub gemacht. Der Grund: Er wollte nicht noch einmal den Karnevals-Auftakt verpassen.

Es gilt eben das Motto: Jeck loss Jeck elans (Lass den anderen Jeck vorbei). Im übertragenen Sinne: leben und leben lassen. Auf den ersten Blick natürlich ein Skandal, auf den zweiten versteht man auch als Nicht-Rheinländer diese tiefe Sehnsucht nach Gemeinsamkeit, Albernheit und Frohsinn, gerade, wenn man aus einer Zelle kommt. Schon der Immun­biologe, Aphoristiker und Hochschullehrer Gerhard Uhlenbrock wusste: „An Karneval maskiert man sich, damit man die Maske fallen lassen kann.“

Häftling flieht wegen Karneval aus Gefängnis

Scheinbar Unwiederbringliches zurückholen zu wollen ist ein zutiefst menschliches Gefühl. Stichwort: einmal noch. Der Hamburger Komponist Richard Germer hat diese Sehnsucht schon in den 30er-Jahren musikalisch umgesetzt. „Einmal noch nach Bombay/ oder nach Shanghai./ Einmal noch nach Rio/ oder nach Hawaii“, schrieb er. Lale Andersen, Hans Albers, Freddy und Karl Dall sangen das, und die Leute, nicht nur die Sailor, wussten, wie es gemeint war.

Manches Flüchtige würde man gern halten, nach dem „Faust“-Motto: „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön.“ Auf Dauer kann das aber kaum gut gehen. Der Karnevals-Junkie kam nach dem närrischen Einmal-noch-Erlebnis zurück, meldete sich bei der Polizei und erklärte sich bereit, seine Reststrafe abzusitzen. Mit 26 Jahren muss er noch keine Endzeit-Stimmung propagieren. Die aktuellen Folgen für ihn sind noch unklar, vermutlich aber humorlos.