Hamburg. Das wäre doch mal ein „historisches Ergebnis“ in der Wohnungspolitik. Doch da gibt es andere Erfolge.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei „historischen Ergebnissen“ muss ich zum Beispiel an das 7:1 der Nationalmannschaft gegen Brasilien im Halbfinale der WM 2014 denken. Ich weiß noch genau, wo und mit wem ich das Spiel gesehen habe – und wie wir uns, weil unser Empfang immer ein paar Sekunden hintendran war und die Tore damit verzögert bei uns ankamen, beim euphorischen Jubel draußen auf der Straße ungläubig angeguckt haben: wie jetzt, noch eins?!

Ob wir in zehn Jahren auch noch wissen, wo wir gerade waren, als die Regierungsfraktionen am 2. November 2022 „historische Ergebnisse“ im Bereich der Wohnungspolitik verkündet haben?

"Historisches Ergebnis"? Jeder wertet Erfolge unterschiedlich

Es gibt also einen Kompromiss mit den „Keine Profite mit Boden & Miete“-Volksinitiativen, und da Sie diese „wegweisende Einigung“ sicher mit Spannung bis ins Detail aufgesaugt haben, können wir jetzt gemeinsam ein „neues Kapitel unserer erfolgreichen sozialen Wohnungsbaupolitik aufschlagen“. Gut, jeder wertet Erfolge unterschiedlich, für die einen sind es sieben Treffer gegen die Brasilianer, den anderen reicht ein Sieg gegen Sandhausen. Und „historisch“ kann wohl auch bedeuten, dass man es einfach so macht wie in der Vergangenheit. Städtische Wohnungsbau-Grundstücke nicht mehr zu verkaufen, sondern im Erbbaurecht zu vergeben, war schließlich schon länger Usus, und bei großen Stadtentwicklungsprojekten gilt weiterhin die Ausnahme von der euphorisch gefeierten Regel. Das muss man in mehr als eineinhalb Jahren erst mal aushandeln. Volltreffer.

Zum Glück reißt der zweite Teil der Einigung alles wieder raus. Es ist ein Ergebnis, auf das Hamburgs Wohnungsuchende gewartet haben. Niemand wird mehr aus seinen vier Wänden vertrieben, weil die Miete zu sehr steigt. Wer eine Wohnung sucht, findet sie auch. Der Traum vom bezahlbaren Leben in der eigenen Stadt, er wird für alle wieder wahr. Ach nein, tut mir leid, da habe ich mich wohl verblättert, das ist ein anderes Kapitel. Aber jährlich 1000 neue Sozialwohnungen mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung sind doch auch toll. Finden die ganzen Familien, die weiterhin in den Speckgürtel auswandern müssen, sicher auch.

Dieses Jahr kommt Hamburg nur auf 2000 Sozialwohnungen

Aber am wichtigsten ist ja, dass nicht zu viel versprochen wird. Hauptsache, man erreicht die gesetzten Ziele. Beim sozialen Wohnungsbau haben wir da ja gute Erfahrungen gemacht – 3000 neue Sozialwohnungen sollen es pro Jahr werden, dieses Jahr kommt Hamburg auf 2000. Aber 1000 mehr oder weniger, was soll’s, oder?

Was zählt, ist, dass alle an Bord sind. Dass der Grundeigentümer-Verband nicht begeistert ist, liegt wohl in der Natur der Sache. Doch auch die im Verband organisierten Genossenschaften – die immerhin 20 Prozent aller Hamburger Mietwohnungen anbieten – sind totbeleidigt. Und wetzen die Messer, während ihnen „Knüppel zwischen die Beine geworfen“ und „Äxte an den Bau bezahlbarer Wohnungen“ gelegt würden. Ihr schlagendes Argument: Welche Bank will so etwas finanzieren?

Entscheidend ist aber auch, dass genug Boden vorhanden ist, um all die ganzen Wohnungen, sozial oder nicht, bauen zu können. Da hat Hamburg in der Vergangenheit ja großflächig vorgesorgt. Nicht nur bei Grundstücken. Bürogebäude zu verkaufen, um sich danach teuer zuzurückzumieten, ein echter Geniestreich.

Neue Wohnflächen: Der Rathausmarkt bietet sich an

Aber, den früheren Stadtentwicklern sei dank, gibt es ja ausreichend schicke Magistralen, an denen es sich noch bauen und sozialverträglich wohnen lässt. Wie wäre es mit einem Gegenvorschlag: Wir bauen künftig einfach auf Hauptstraßen. Befahren lassen sich die meisten eh kaum, weil ständig Stau herrscht, dann wären wir dieses Ärgernis auch gleich los. Schöne Vorstellung, die aber wohl auch nach 100 Jahren Mobilitätswende nichts wird.

Welche attraktiven Flächen könnten denn sonst noch bebaut werden? Der Rathausmarkt zum Beispiel – für Souvenirshop und Würstchenbude findet sich bestimmt ein anderes Plätzchen. Oder der Spielbudenplatz – Hand hoch, wer die Veranstaltungen dort vermissen würde. Und natürlich: der Flughafen. Platz für einen ganzen neuen Stadtteil. Und wie viele Bürgerinitiativen man damit auf einen Schlag befriedet hätte.