Hamburg. Das Einheitsticket soll freie Fahrt quer durchs ganze Land gewähren. Worauf es bei der neuen Fahrkarte ankommt.
Der sommerliche Großversuch mit dem 9-Euro-Monatsticket hat ungeahnte Bewegung ins Land und in die deutsche Verkehrspolitik gebracht. Millionen Reisende nahmen Wartezeiten, Enge und andere Unbequemlichkeiten in Kauf, um freudig spontan fast zum Nulltarif die Republik per Bus und Bahn zu erkunden. Nach drei Monaten war das Bedauern über das Ende groß – und die Erwartung an ein günstiges und einfaches Nachfolgeticket hoch.
Am Donnerstag war es so weit: Geht es nach den Verkehrsministern soll ein Einheitsticket für 49 Euro im Monat freie Fahrt quer durchs ganze Land gewähren, bloß die schnellen Fernverkehrszüge sind (wie im Sommer) ausgenommen. Das ist ein höchst verlockendes Angebot, auch wenn sich der Preis damit mehr als verfünffacht gegenüber dem 9-Euro-Schnäppchen. Denn die wichtigste Neuerung wird ja beibehalten: Das Ticket bleibt fast so unkompliziert wie gehabt. Es lichtet den Tarifdschungel, erspart Preisvergleiche und das unerträgliche Rätselraten, welcher Tarif an welchem Ort wohl gilt.
49 Euro nicht annähernd kostendeckend
Bevor es um solche Details geht, muss jedoch noch die Finanzierung stehen. Die Einigung der Verkehrsminister auf ein 49-Euro-Ticket ist nichts wert, wenn die Finanzminister von Bund und Ländern die nötigen Zuschüsse für den öffentlichen Personennahverkehr nicht leisten. Allen sollte klar sein: Auch 49 Euro sind nicht annähernd kostendeckend. Das Einheitsticket ist ein bundesweiter Preisdeckel, der den staatlichen Zuschussbedarf zum Nahverkehr stark erhöhen wird.
Das liegt zum einen daran, dass die regionalen oder örtlichen Verkehrsverbünde – anders als bisher – künftig nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Preise flexibel zu gestalten. Der 49-Euro-Deckel verhindert, dass man Nutzern etwa in wohlhabenderen Gegenden und Metropolen weiterhin höhere Monatspreise abverlangt – im Gegenzug vielleicht auch für ein dichteres und breiteres Angebot. Vielerorts dürfte es Einnahmeverluste geben. Offen ist, inwieweit sie durch neue Kundschaft ausgeglichen werden.
Mobilitäts-Schlaraffenland ist nicht bezahlbar
Mehr Kunden sind politisch erwünscht, bedeuten aber auch, dass mehr Busse und Bahnen fahren müssen. Zumal der günstige Einheitspreis einer Übernutzung des örtlichen Verkehrsangebots erheblich Vorschub leisten wird: Je mehr ich öffentlich fahre, desto günstiger wird der gefahrene Kilometer für mich. Wer das mit Verweis auf Klimaschutz kritiklos begrüßt, springt viel zu kurz. Im Interesse des Klima- und Umweltschutzes liegt auch ein sorgsamer Umgang mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die ja ebenfalls knappe Ressourcen verbrauchen.
Und zwar selbst dann, wenn irgendwann alle elektrisch fahren sollten. Es bedarf auch in einer grünen Verkehrswelt angemessener Preissignale, die die Nutzer zur Abwägung zwingen: Pendeln sie lieber oder arbeiten sie im Homeoffice? Unternehmen sie den weiten Wochenendtrip nach Sylt oder Garmisch? Erledigen sie in der Stadt gleich mehrere Dinge auf einmal? Ein öffentliches Mobilitäts-Schlaraffenland ist nicht bezahlbar.
Einheitsticket bleibt ein Groß-Experiment
Das Einheitsticket bleibt also auch für 49 Euro ein politisches Groß-Experiment und sollte daher von den Bundes- und Landesregierungen auch so behandelt werden. Wenn sich die Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler in den nächsten Tagen treffen, müssen sie zweierlei sicherstellen: Die Finanzrisiken dürfen nicht noch stärker auf den Bund abgewälzt werden, sondern müssen – wie es die Verfassung vorsieht – auch von den Ländern geschultert werden.
Nur so haben die Landeshauptstädte ein starkes Interesse, auf die Kosten zu achten. Dem Schutz vor Fehlentwicklungen dient auch der zweite Punkt: Das 49-Euro-Ticket sollte vorerst nur auf ein Jahr befristet eingeführt werden. Das zwingt zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme und erlaubt eine gesichtswahrende Korrektur, sollte das neue Ticket die Hoffnungen nicht erfüllen.