Hamburg. Kolumnist Hajo Schumacher schreibt über das Geschäft mit dem guten Gewissen.

Guten Morgen. Heute möchte ich Ihnen ein Angebot unterbreiten, das Sie nicht ablehnen werden. Denn Ihre Kinder und Greta, Nachbarn und Kollegen werden stolz auf Sie sein. Sie sind bei den Guten. Versprochen.

Warum? Weil Sie bekommen, was alle wollen, aber kaum einer verdient hat: den Nachweis der Klimaneutralität. Ja, richtig gelesen: Schneller, als der Heizpilz anspringt, ist der Antrag gestellt. Und für die Familie gleich mit, im Paket mit Autos, Yacht und Magenwinden. Was Methan atmosphärisch anrichtet, wissen wir aus den Kuhställen der Welt. Alles, was Sie tun müssen: Füllen Sie erstens ein Online-Formular aus, schätzen Sie zweitens Ihren CO₂-Verbrauch, möglichst defensiv.

Kolumne: Klima ist das neue Bio

Vergessen Sie einfach die 800 Meter, die Sie zum Bäcker fahren. Eine Diamond DA 62 wäre fürs Klima allemal schlechter gewesen. Drittens überweisen Sie eine üppige Gebühr plus einer überschaubaren Spende, etwa für einen Solarofen, der Afrika rettet. Und, schwupp, liegt der ersehnte Aufkleber im Briefkasten, der sich hübsch auf dem Kreuzfahrtkoffer macht. Sollten die lästigen Balgen wieder neubauern, dann schenken Sie dem Nachwuchs eine digitale Klimaplakette fürs Instagram-­Profil.

Klima ist das neue Bio, eindrucksvoll besiegelt und ein Segen fürs gute Gewissen. Flugreisen, Heizöl, Schnabeltiere – alles lässt sich klimaneutral umdeuten. Wahrscheinlich wartet Kanzler Scholz mit der Leo-Lieferung für Kiew nur, bis der Panzer eine Gute-Luft-Plakette trägt. Kann nicht mehr lange dauern. Panzerketten, Lieferketten, Plaketten – einen Wohlfühlaufkleber kriegt praktisch jeder von den zahllosen, bisweilen dubiosen Anbietern. Die fantastisch vielfältigen Siegel reichen locker für ein Panini-Album.

Keine Kontrolle der Klima-Siegel