Der Krieg gegen die Ukraine hinterlässt nur Verlierer. Es ist Zeit für Verhandlungen um einen Waffenstillstand.

Wie sich die Zeiten ändern: In der „Zeit“ plädieren Intellektuelle für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg – darunter die Schriftstellerin Juli Zeh, der frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin und der Sicherheitsexperte Johannes Varwick. Offenbar war der wichtige Zwischenruf der Redaktion selbst ein wenig peinlich – sie verbuddelten den Aufruf auf Seite 48 im hinteren Feuilleton.

Die deutschen Medien reagieren darauf eher diskussionsmüde denn kriegsmüde, ein kurzes Schulterzucken und zurück zum Bellizismus. Der ukrainische Botschafter Melnyk pöbelte wie üblich, nannte die Unterzeichner „pseudointellektuelle Versager“, die sich mit ihren „defätistischen Ratschlägen zum Teufel scheren“ sollten.

Bei allem Verständnis für die Ukraine, das kriegsgeschundene Opfer russischer Aggression: Herr Melnyk, es reicht. Und zwar schon lange. Wer zu Recht auf Hilfe und Unterstützung im Krieg gegen Putin hofft und sagt, es gehe um gemeinsame Werte, muss diese Werte, die demokratische Debatte, aushalten – auch Widerworte und Widerstand. Wir streiten wie die Kesselflicker über Gendersterne und Transphobie und sollen zu Krieg und Frieden schweigen?

Krieg gegen die Ukraine hat viele Verlierer

Es ist höchste Zeit, nach den unseligen Monaten das Unglück im Osten Europas nüchtern zu betrachten und nach Auswegen aus dem Unheil zu suchen. Fakt ist: Dieser Krieg hinterlässt nur Verlierer. Putin hat die Russen aus dem europäischen Haus gebombt. Die Ukraine ist das Opfer – hier haben die Bomben Tausende Menschen getötet und Infrastruktur im Milliardenwert vernichtet.

Doch es gibt noch viele weitere Verlierer: Auch Europa und gerade Deutschland wegen seiner naiven Energiepolitik werden von diesem Konflikt schwer getroffen – die wirtschaftlichen wie sozialen Verwerfungen sind nicht einmal absehbar. Zugleich drohen durch die ausfallenden Nahrungsmittelexporte dramatische Hungersnöte in Afrika. Und der weltweite Klimaschutz wird durch den Krieg und die Spaltung der Welt um mindestens ein Jahrzehnt zurückgeworfen.

Ist es angesichts dieser Schreckens­bilanz nicht erste Pflicht, über einen Waffenstillstand nachzudenken? Stattdessen beteiligen wir uns noch immer am brandgefährlichen Spiel, immer höher auf der Eskalationsleiter zu klettern, wie Litauens Blockade von Kaliningrad zeigt. Nur was ist, wenn wir oben angekommen sind?

Wir werden von der Leiter heruntersteigen müssen

Dieser Krieg muss enden – nicht um jeden Preis, aber um den Preis realpolitischer Kompromisse. Irgendwann werden wir – um im Bild zu bleiben – wieder von der Leiter heruntersteigen müssen. Das ist kein Appeasement: Der Preis für Putin ist längst exorbitant hoch geworden, sein Hunger auf das Verschieben von Grenzen dürfte auch dank des Widerstands der Ukraine und der Reaktion des Westens nicht weiter gewachsen sein.

Jeder Krieg endet mit einem Waffenstillstand, und oftmals sind Schurken daran beteiligt. Der Bundeskanzler hat zu Recht darauf verwiesen, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen darf. Ein Sieg der Ukraine indes klingt vor dem Hintergrund der nuklearen Option nach einem kollektiven Realitätsverlust. Es muss aufhorchen lassen, dass der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak warnt, die neue Taktik Russlands, Wohnviertel zu attackieren, solle „Druck auf westliche politische Eliten ausüben, um die Ukraine zu zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen“.

Dieser Krieg hinterlässt nur Verlierer. Wer das erkennt, muss auf Verhandlungen setzen – wir müssen den Druck auf Putin aufrechterhalten, aber einen Notausgang auch für Despoten offenlassen.