Kiel. Beide wollen unbedingt die Koalition. Allerdings gibt es im Norden auch einige politische Konflikte wie das Thema Verkehr.

Es wird, wenn es denn klappt, eine Koalition der Wahlsieger. Die schleswig-holsteinische CDU legte um 11,4 Punkte zu, die Grünen um 5,4. Zusammen kommt man auf eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Diese Woche starten die zehn Arbeitsgruppen beider Parteien in die Ausarbeitung des Koalitionsvertrages. In der Ausrichtung auf mehr Klimaschutz herrscht Einigkeit: Schleswig-Holstein soll seine bundesweite Vorreiterrolle bei der Energiewende ausbauen und „erstes klimaneutrales Industrieland“ werden. Aber wie soll das im Detail gehen? Und: Wie lassen sich darüber hinaus die so unterschiedlichen Programme zusammenbringen?

Die CDU hätte es einfacher haben können – bei der Regierungsbildung und auch in den nächsten fünf Jahren: Die FDP wäre deutlich billiger zu haben gewesen als die Grünen, inhaltlich wie personell. Mit Schwarz-Gelb hätte die CDU ihre Programmatik zu weiten Teilen umsetzen und ganz nebenbei auch mehr Ministerposten mit eigenen Leuten besetzen können.

Union fehlt nur ein Sitz zur absoluten Mehrheit

Dass die Partei stattdessen Schwarz-Grün nahezu ohne Murren mitträgt – im erweiterten CDU-Landesvorstand hat es nur eine Gegenstimme gegeben –, liegt an Günthers überwältigendem Sieg. 2017 hatte er als „Notlösung“ (Günther über Günther) die CDU zurück in die Regierung gebracht. Weitere fünf Jahre später fehlt der Union nur ein Sitz an der absoluten Mehrheit. Solche Erfolge machen Parteien demütig und den Spitzenkandidaten erst einmal unangreifbar.

Dass die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen für die CDU genauso geschmeidig verlaufen wie zuvor die Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen, ist eher unwahrscheinlich. Die neue grüne Fraktion ist jung, selbstbewusst, fordernd, steht politisch eher links. Und so lehnt man schon vor Beginn der Verhandlungen CDU-Forderungen nach Onlinedurch­suchungen und Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität und Terrorgefahr kategorisch ab. Dabei betont Günther immer wieder, dass das Thema Innere Sicherheit der CDU eine Herzensangelegenheit sei.

Auch bei Verkehr und Landwirtschaft finden sich Knackpunkte

Streit gibt es auch beim Thema Verkehr: Die CDU will den seit Jahren ruhenden Weiterbau der A 20 vorantreiben, die Grünen würden das Projekt gern von der Bundesregierung gestoppt sehen. Konflikte drohen auch bei Planungsbeschleunigung und Bürokratieabbau: Wie soll das funktionieren, ohne Umweltstandards zu senken und Bürgerbeteiligung runterzufahren? Knackpunkte finden sich zudem in der Landwirtschaft. Die CDU muss ihre Klientel fünf Jahre „bei der Stange halten“, während die Grünen Flächen für Ökolandbau erhöht und den Einsatz von Pflanzenschutzmittel reduziert sehen wollen.

Gerade einmal drei Wochen billigen die Parteispitzen den Verhandlungsgruppen für deren inhaltliche Arbeit zu. Der Zeitplan ist höchst ambitioniert. Aber letztendlich wird man bei allen Differenzen vermutlich zusammenfinden. Denn mit dem Bündnis können Grüne – und noch stärker die CDU – eine Geschichte erzählen: Schaut her, wir bilden eine Koalition, die anstrengend wird für beide Seiten, die viele Kompromisse abverlangt, die aber die Gesellschaft in ihrer Breite abbildet.

Die Entscheidung der CDU für Schwarz-Grün steht (und fällt) mit einem Regierungschef Günther. Er will Schwarz-Grün als großes gesellschaftliches Bündnis und für seine Erzählung vom modernen, zukunftsgewandten Ministerpräsidenten. Er wird Schwarz-Grün über die Streitthemen hinweg moderieren. Es ist ein wenig wie in Hamburg, als Ole von Beust für die CDU dasselbe Bündnis gegen Widerstände auf den Weg brachte. Nur: Als Ole von Beust sich mitten in der Legislaturperiode in die politische Rente verabschiedete, war das Aus für Schwarz-Grün besiegelt.