Kiel. Den schwereren Koalitionsweg zu gehen, das ist auch ein Signal an den Bund – für die neue Form der großen Koalition.

Das Risikospiel der Grünen in Schleswig-Holstein scheint aufzugehen. Nach der Landtagswahl hatte die auf 18,3 Prozent gekletterte Partei sehr selbstbewusst das Werben Daniel Günthers um eine Fortsetzung der bei den Menschen so beliebten Jamaika-Koalition ausgeschlagen. Stattdessen setzten die Spitzenfrauen Monika Heinold und noch wahrnehmbarer Aminata Touré auf ein schwarz-grünes Zweierbündnis. Und das bahnt sich an. Der CDU-Landesvorstand um Ministerpräsident Daniel Günther hat den Grünen jetzt ein förmliches Verhandlungsangebot gemacht. Das ist zumindest eine Vorentscheidung für Schwarz-Grün und die Absage an die FDP.

Blicken wir noch einen Moment auf die Grünen. Zwar bleibt Monika Heinold, erfahrene Finanzministerin und „Stabilitätsanker bei Jamaika“ (CDU), eine starke Figur, aber neben ihr drängt eine junge Politikergeneration um Aminata Touré, Fraktionsvize Lasse Petersdotter und Partei-Co-Chef Steffen Regis nach vorn. Keiner ist älter als 33. Interessanterweise sind es vor allem diese „Jungen“, die das Bündnis mit der eher konservativen CDU im ländlich geprägten Land vorantreiben.

Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein: Sie wollen sich zusammenraufen

Es sind weniger die inhaltlichen Schnittmengen, die die Vordenker von Grünen und CDU in dieser Koalition sehen. Wenn es nur darum ginge, möglichst leicht und geschmeidig durch die nächsten fünf Jahre zu kommen, dann hätte sich die CDU für ein Bündnis mit der FDP entscheiden müssen. Die inhaltliche Schnittmenge wäre enorm. Mit der FDP seien 90 Prozent der CDU-Thematik zu machen, heißt es.

Und doch wollen sich CDU und Grüne zusammenraufen. Es geht um die Story, die Geschichte, die sie damit erzählen wollen. Schaut her, wenn das in Schleswig-Holstein (wie in Hessen, Baden-Württemberg und vermutlich demnächst auch in Nordrhein-Westfalen) klappt, warum sollte das dann nicht auch bei der Bundestagswahl 2025 funktionieren. Schleswig-Holstein als Blaupause für den Bund – um nichts weniger geht es aus Sicht der Strategen in beiden Lagern.

Daniel Günther ist für die Bundes-CDU ein Hoffnungsträger

Parteichef Friedrich Merz ist 66, Daniel Günther 48. Merz steht eher für eine konservative CDU, Günther für eine liberale. Der Norddeutsche ist mit Abstand der beliebteste deutsche Ministerpräsident und hat bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit nur denkbar knapp verpasst; der Westdeutsche brauchte drei Anläufe, um endlich CDU-Chef zu werden. Die Liste ließe sich fortführen, aber auch so zeigt sie: Für die CDU ist Günther eine ganz wichtige Figur. Ein Hoffnungsträger.

So liegt es nahe, ihm bundespolitische Ambitionen zu unterstellen. Ob ihn wirklich welche antreiben, wissen vermutlich neben ihm selbst nur seine Frau Anke und vielleicht noch ein paar ganz enge Vertraute. Er ist jedenfalls kein Ministerpräsident auf Abruf. Günther liebt seine Heimat, die Menschen, das Land, die Aufgabe als Regierungschef in Schleswig-Holstein. Die Berliner Politik-Blase ist seine Welt nicht.

Schwarz-Grün, die neue große Koalition

Und dennoch könnte es sein, dass die Entwicklungen – auch in seiner Partei – auf ihn hinauslaufen. Allein schon für diesen Fall wäre Schwarz-Grün im Norden viel attraktiver als das deutlich weniger anstrengende Bündnis CDU/FDP. Eine Koalition mit der Öko-Partei wäre das, was man früher eine große Koalition nannte, eine, die im Regierungshandeln die Breite der Gesellschaft abbilden würde.

Und ganz nebenbei könnte Günther mit dieser Koalition mit einer bunten Truppe seine Erzählung weiterschreiben, die er mit Jamaika begonnen hat – die Erzählung des unkonventionellen, modernen und zukunftsgewandten Politikers, der nicht ins übliche Muster passt.