Hamburg. Der FC St. Pauli hat schwere Vorwürfe gegen die Rostocker Beamten erhoben. Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Fans.
Hamburg darf sich an diesem Sonnabend auf ein echtes Fußballfest freuen. Der FC St. Pauli empfängt am pickepackevollen Millerntor Werder Bremen zum Spitzenspiel der Zweiten Liga. Dritter gegen Erster. Zwei Teams, die Topleistungen bringen, zwei Vereine, die einander wohlgesonnen sind. Am Mittwoch gab es die obligatorische Sicherheitsbesprechung der Fanbeauftragten und der Vereine mit der Polizei Hamburg.
Die gemeinsame Einschätzung war klar: Es ist nichts Außergewöhnliches zu erwarten, sagt St. Paulis Trainer Timo Schultz: „Ich freue mich immer, wenn Eltern mit ihren Kindern ins Stadion gehen können, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob es zu viel Gewalt gibt oder ob man da irgendwelche Probleme bekommen kann“, sagt St. Paulis Coach.
Verletzte bei Einsatz mit Wasserwerfern
Knapp eine Woche erst ist es schließlich her, dass es in Rostock genau anders zuging. Die Rostocker Polizei hatte 1450 Beamte im Einsatz. Am Sonntagmorgen nach dem Spiel teilte die örtliche Polizei-Pressestelle mit: „Dass es im gesamten Einsatzverlauf zu keinem direkten Aufeinandertreffen der rivalisierenden Fangruppierungen kam, ist Ergebnis des konsequenten Polizeieinsatzes.“
„Konsequenter Polizeieinsatz“ kann man nach den Berichten mitgereister Hamburger nur als zynischen Euphemismus verstehen. Es kamen Wasserwerfer, Reizgas und Schlagstöcke zum Einsatz. Es gab Verletzte. Am Mittwochnachmittag veröffentlichte der FC St. Pauli nach sorgfältiger Recherche eine offizielle Stellungnahme zu den Vorfällen.
"Vorgehen der Polizei war willkürlich"
„Der Umgang mit Gästefans ist absolut inakzeptabel (...) gewesen. Wir sprechen hier von einem Organisationsversagen auf ganzer Linie“, heißt es und weiter: „Das folgende gewalttätige Vorgehen der Polizei gegen die Gästefans war willkürlich und unverhältnismäßig.“ Die klaren Aussagen des Millerntorclubs endeten in dem schweren Vorwurf: „Es war (…) nicht erkennbar, dass die Polizei ihrem Schutzauftrag nachgekommen ist. Stattdessen wurden bewusst gesundheitliche Beeinträchtigungen unserer Fans seitens der Polizei in Kauf genommen.“
Damit es keine Missverständnisse gibt: Fußballfans sind nicht alles Heilige. Auch die des FC St. Pauli nicht. Es sind wirklich auch Hohlköpfe dabei. Sie provozieren und begehen Ordnungswidrigkeiten, und wenn es gar Straftaten sind, dann gehören sie verurteilt. Die Polizei ist dann gezwungen zu reagieren. Der erste Auslöser solcher Auseinandersetzungen ist in der Regel bei den Fans zu suchen.
Polizei Bielefeld kesselte St.-Pauli-Fans ein
Aber: Dass bei dem zum Teil rücksichtslosen Vorgehen der Polizei gegen eine Menge Fans überwiegend komplett Unbeteiligte getroffen werden, deren einziges „Vergehen“ es ist, Anhänger eines bestimmten Fußballvereins zu sein und sich mit der entsprechenden Gruppe zu bewegen, wird bei diesen Polizeieinsätzen schon lange und zu oft billigend in Kauf genommen. Die Reizschwelle bei den Vertretern der Staatsmacht ist zu oft zu niedrig, das Gewaltmonopol wird zu sehr ausgenutzt.
Im November 2018 kesselte die Polizei Bielefeld knapp 300 St.-Pauli-Fans über Stunden hinweg ein. Den Betroffenen wurde der Zugang zu Getränken, zu Speisen, zum WC verwehrt. Nach Klagen räumte die Polizeidirektion im Januar 2020 schließlich ein, dass dieses Vorgehen rechtswidrig war, nachdem sie zunächst geleugnet hatte, dass es überhaupt einen Kessel gab.
Polizeigewalt sollte sanktioniert werden
Vergleichbare dokumentierte Fälle gab es überall in den Bundesligastädten. Wer als Auswärtsfahrer unterwegs ist, nimmt bereits vorher die Einschränkung von Freiheitsrechten in Kauf. Er weiß, dass er oft zum Stadion mit Polizeibegleitung auf strikt festgelegten Routen gehen muss. Er weiß, dass er nach Spielende gehindert werden kann, den Stadionbereich zu verlassen. Aber hilflos einer eskalierenden Bereitschaftspolizeitruppe mit Helm, Schutzpanzer und Korpsgeist ausgesetzt zu sein, ist noch etwas anderes.
Das darf nicht sein. Es reicht nicht, dass nur Fans und Vereine Konsequenzen für ihr Fehlverhalten zu tragen haben. Auch Polizeigewalt sollte sanktioniert werden.