Hamburg. Die Klimaschutzbewegung trifft auf viel Wohlwollen – muss sich aber auch kritische Fragen gefallen lassen.

Wir müssen „Fridays for Future“ dankbar sein – die noch junge Bewegung hat in der Politik mehr bewegt als viele Umweltschützer noch vor wenigen Monaten zu träumen gewagt hatten. Endlich hat das Thema Erderwärmung die Öffentlichkeit, die es verdient. Endlich passiert etwas – schon seit Jahren haben wir kein Erkenntnis-, sondern vor allem ein Umsetzungsdefizit. Und endlich spielen die Interessen der Jugend wieder eine größere Rolle, weil sich Kinder und Jugendliche politisch engagieren.

Fridays for Future“ sind eine so gute Sache, dass der alte Satz des großen Journalisten Hanns Joachim Friedrichs noch einmal zitiert werden muss. „Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“

Fridays for Future: Großdemo in Hamburg

Wann immer aber die Jugend für mehr Klimaschutz auf die Straße geht, darf sie sich auf freundliche Presse und Unterstützung auf allen Sendern freuen. Manchmal bekommt man den Eindruck, Fridays for Future seien die Robbenbabys dieser Tage. Süß, schützenswert – und absolut kampagnenfähig. Verfolgt man das Echo in der Öffentlichkeit, muss man glauben, die gesamte Jugend habe sich bei „Fridays for Future“ eingereiht. Und die machen durchaus Politik – am Freitag vor der Bürgerschaftswahl riefen sie in der Hansestadt zur Großdemo auf.

Aber dann das: Bei den Erstwählern bei der Bundestagswahl lagen nicht etwa Bündnis 90/Grüne mit ihren 22 Prozent vorne, sondern ausgerechnet die FDP mit 23 Prozent. Schaut man sich bei den Demons­trationen um, sieht man schnell, dass eben nicht alle für das Klima unterwegs sind: Bei aller Vielfalt kommt der Protest doch sehr weiß und reich daher, viel Blankenese, wenig Billstedt.

"Blick für die Alltagssorgen fehlt"

Das soll kein Vorwurf sein – aber die Bewegung entstammt genau der Blase, die bei Twitter und in Medien den Ton angibt. Der Buchautor Clemens Traub, einst selbst Aktivist bei FFF, wirft seinen Mitstreitern vor, die Bewegung repräsentiere nicht die gesamte Bandbreite unserer Gesellschaft, habe zu viele Arzttöchter und Juristensöhne: „Vielen, die sich bei Fridays for Future engagieren, fehlt der Blick für die Alltagssorgen der breiten Masse“, sagte er dem „Vorwärts“.

Wie ideologisch manche bei „Fridays for Future“ unterwegs sind, blitzt immer wieder auf. Im vergangenen Jahr überraschte FFF auf ihrem offiziellen internationalen Instagram-Account mit heftiger Israel-Kritik: „Wir lehnen die Repressionen der israelischen Regierung ab. Sie sind eine Form von Militarismus und Kolonialismus, und um diesen zu zerstören, existieren wir.“ Immerhin ging die deutsche Sektion auf Distanz.

Ronja Malzahn wurde wegen der Frisur ausgeladen

Nun zeigt eine skurrile Geschichte in Hannover die ideologische Schlagseite: Die Künstlerin Ronja Malzahn, die auf der FFF-Demonstration in Hannover spielen sollte, wurde ausgeladen. Den „Klimaaktivisten“ gefiel Ronjas Frisur nicht. Denn die trägt Dreadlocks, die laut Fridays for Future „diesem globalen Streik“ und dem „antikolonialistischen und antirassistischen“ Anspruch widersprechen.

Weiße Menschen bekämen „für dieselbe Frisur Komplimente, für die schwarze Menschen rassistisch angefeindet werden. Deshalb haben schwarze Widerstandssymbole […] auf weißen Köpfen nichts zu suchen“. Der Höhepunkt: Sollte sich Ronja die Haare abschneiden, sei sie willkommen. Das ist der Sound der 60er – als reaktionäre Meister oder Lehrer Langhaarige zum Frisör trieben.

Fridays-for-Future-Bewegung steht zu der Ausladung

Nun sollte man nicht jede Irrung und Wirrung einer Ortsgruppe zu ernst nehmen, aber es verstört dann doch, dass die Fridays-for-Future-Bewegung sich zwar für die Form der Ausladung entschuldigt, nicht aber für die Ausladung an sich. Man stehe zu „unserer Entscheidung, mit dem Grund der kulturellen Aneignung Personen von unseren Plattformen auszuschließen“.

Langsam droht Fridays for Future dem Irrweg anderer zu folgen – von der Massenbewegung zur Sekte. Wenn das Trennende wichtiger wird als das Verbindende, schwächt man sich ohne Not. Wer in einer Demokratie zu Kompromissen nicht mehr bereit ist, radikalisiert am Ende sich und spaltet die Gesellschaft. Bei der FFF-Demo in Berlin riefen die Aktivisten den Slogan der Antidemokraten: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ Übrigens mit dem Zusatz: „Wer war mit dabei? Die grüne Partei“.