Es muss wieder attraktiver werden, eine Hausarztpraxis zu betreiben.

Der Mangel an Hausärzten in Hamburg ist eine Diagnose, die früh hätte gestellt werden können. Sie kommt so überraschend wie die absehbare Pensionierung von Menschen, die das 60. Lebensjahr erreicht haben. Bei den Allgemeinmedizinern in den Praxen ist das jeder Dritte. Ihnen bleiben im Prinzip nur noch wenige Jahre bis zum Ruhestand. Doch die Rente ist auch bei niedergelassenen Ärzten ein Antragsdelikt. So ist es kein Wunder, dass einige noch mit 80 in ihrer Praxis das Stethoskop schwingen oder dass viele der vermeintlichen Rentner im Impfzentrum arbeiteten.

Ein dauerhaftes Modell kann der verschobene Ruhestand nicht sein. Er mag Lücken stopfen, löst aber nicht die strukturellen Probleme, die aktuell so vielen Patienten Kummer bereiten, weil ihr Hausarzt tatsächlich und endgültig die Praxis zusperrt und sie immer seltener Ersatz finden. „Aufnahmestopp“ ist ein derbes Wort vor allem für Ältere, für chronisch Kranke, die auf ihre vertrauten Doktoren setzen.

Ärztemangel: Es kommen nicht genügend junge Mediziner nach

Doch es kommen nicht genügend junge Mediziner nach, die es in eine
Praxis drängt, die den Knochenjob von 50 und mehr Patienten am Tag auf eigenes unternehmerisches (Teil-)Risiko machen wollen. Die wissen, dass eine überbordende Bürokratie ihr medizinisches Handeln lähmt, dass sie länger zuhören müssten, das aber nicht so bezahlt bekommen wie fachärztliche Kollegen, die mit Maschinen hantieren, so teuer wie das Jahresbudget eines Allgemeinmediziners. Wer will das dem Nachwuchs der Heilkunst verdenken?

Auch die Ansprüche an die „Work-Life-Balance“ und die Familienzeit sind andere als anno dunnemals. Die Feminisierung des Ärzteberufs schreitet ohnehin voran. Das ist ein gutes Zeichen. Frauen werden sich auch in der ärztlichen Selbstverwaltung sichtbar machen oder sind es bereits.

Politik muss das Unternehmen Hausarzt positiv begleiten

Allein, die Politik hat noch nicht ganz begriffen, wie sie das Unternehmen Hamburger Hausarzt 2030 positiv begleiten kann. Erste Ansätze sind da, mit der Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam Lösungen für Praxen in Boom-Regionen der Stadt zu finden. Das klingt schon besser als die letzten Töne einer früheren Gesundheitssenatorin, die par ordre de Mutti Arztsitze dorthin verteilen wollte, wo sie es für nötig hielt. Dafür gibt es schlicht nicht einmal die Ärzte.

Wer als Arzt zwischen Blankenese und Billstedt wählen kann, hat sich schon entschieden. Solche Vorurteile und Bedenken müssen Behörden und Ärztevertreter gemeinsam ausräumen. Und sie sollten finanzielle Nachteile einer sprechenden Medizin ausgleichen helfen. Das heilsame Kommunizieren wird zu gering honoriert. Das geht nur mit Rückenwind aus der Bundespolitik. Darauf wartet auch die KV, wenn sie frei werdende Arztsitze eben nicht an große Praxiskonglomerate verlieren, sondern zeitweise selbst betreiben will, ehe auch in vermeintlich unattraktiveren Stadtteilen Nachfolger gefunden sind.

Ärztenetze und MVZ sind auch Vorreiter

In Berlin sitzt in Karl Lauterbach ein Gesundheitsminister, der zeigen kann, dass sein Fachmannstatus nicht nur auf dem Ausweispapier existiert. Es wäre eine unschöne Ironie der Geschichte, wenn der Trend zu mehr kapitalgetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) unter dem Regime eines Sozialdemokraten anhielte. Hamburg folgt hier der bundesweiten Entwicklung.

Aber Ärztenetze und MVZ sind auch Vorreiter. Mit Onlinebuchungen, Videosprechstunden und digitalen Anwendungen können sie im Idealfall Freiräume aufzeigen, die Ärzte für die Patienten gewinnen. Früher hieß es: Wer krank ist, stimmt mit den Füßen ab – und geht dorthin, wo er sich am besten behandelt glaubt. Heute ist das Smartphone diesem Entscheidungsprozess vorgeschaltet.