Hamburg. Die Schließung des Impfzentrums in den Messehallen ist nur einer der Gründe für die der Senat kritisiert werden kann.
Eine kleine Geschichte vorab, die nur auf den ersten Augenblick lustig klingt. Im Supermarkt sah die Tage eine Kundin eine andere beim Einkauf, von der sie wusste, dass sie gerade erst positiv auf Corona getestet worden war und sich in häuslicher Isolation befinden müsste. Wie reagieren? Die Kundin sprach mit der Marktleitung.
Die überlegte kurz, entschied sich dann für die Durchsage über Mikrofon und Lautsprecher: Die Person, die sich trotz Infektion im Laden aufhalte, möge bitte zum Ausgang kommen, anderenfalls rufe man die Polizei. Und was passierte? Die Corona-positive Kundin fand sich am Ausgang ein – gemeinsam mit fünf weiteren Kunden, die sich ebenfalls ertappt fühlten. Warum ich von dieser wahren Begebenheit erzähle? Weil sie sehr viel über die augenblickliche Lage aussagt. Über die Ignoranz gegenüber Regeln und über die Unverfrorenheit vieler Ungeimpfter.
Corona: Minderheit spaltet sich selbst ab
Auch die Demonstration am Sonnabend in Hamburg sagt viel aus. Etwa 10.000 Menschen zogen durch die City – meist ohne Mund-Nasen-Schutz. Man müsse darauf achten, dass die Gesellschaft nicht gespalten werde, hatte es in den vergangenen Monaten immer geheißen, wenn es um Maßnahmen wie Impfpflicht oder Lockdown ging.
Nur: Das ist längst passiert, aber nicht aufgrund der Maßnahmen, sondern weil sich eine Minderheit bewusst ins Abseits gestellt und abgespalten hat. Deren Kritik auf Demo-Transparenten („Stoppt Pharma-Terroristen“ oder „Freiheit“) ist zumindest in ihren Extremen absurd. So ist es die Impfverweigerung, die das Leben und die Freiheit des größten Teils der Bevölkerung beeinträchtigt. Selbstverständlich ist das Demonstrationsrecht ein ganz hohes Gut – das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist es aber auch: Auch das Recht der Geimpften auf maximalen Schutz vor Ansteckung.
Hamburger Senat für Corona-Politik kritisieren
Dabei gäbe es Gründe, den Senat zu Recht für seine Corona-Politik zu kritisieren. Denn es läuft schon lange nicht mehr rund in Hamburg. Drei Punkte:
1. Es zeichnete sich im Sommer ab, dass im Herbst oder Winter mit steigenden Inzidenzen ein Run auf die Boosterimpfung einsetzen dürfte. Und was machen Senat und Kassenärztliche Vereinigung? Sie schließen das Impfzentrum in den Messehallen. Sicher hoffte die Messe angesichts geringer Fallzahlen auf einen Normalbetrieb, aber nur noch auf die Hausärzte zu setzen war fatal. Spätestens als die Politik im Herbst begann, den Druck auf Ungeimpfte massiv zu erhöhen, hätte sie ausreichend Impfkapazitäten zur Verfügung stellen müssen. Hat sie aber nicht. Selbst in Berlin, wo selten ein Verwaltungsvorgang reibungslos funktioniert, läuft die Terminvergabe besser. Stand Freitag war nur Sachsen noch langsamer beim Boostern als wir – obwohl Experten auch vor dem Hintergrund der Omikron-Variante eine deutlich frühere Impfauffrischung empfehlen. Hamburg hat den wichtigsten Baustein im Kampf gegen das Virus schleifen lassen. Warum nicht längst weitere dezentrale Impfzentren, beispielsweise in ungenutzten Hallen, eröffnet wurden, verstehen immer weniger Menschen.
2. Seit Monaten gibt es senatsintern Kritik an der Stiko, die man durchaus für kompetent hält, der aber vorgeworfen wird, sie arbeite nicht effektiv und schnell genug für eine Pandemie. Nur: Warum hält sich Hamburg dann beinahe sklavisch und wie kaum ein anderes Bundesland an deren Empfehlungen?
3. Im ersten Jahr der Pandemie wurde mehr erklärt – das ist zumindest die Wahrnehmung. Jede Entwicklung, jede neue Erkenntnis, jedes neue Regelwerk wurden immer und immer wieder klar und verständlich kommuniziert. Ist das heute noch so? Eher nicht. So nachvollziehbar es ist, dass Politiker es leid sind, einer kleinen Minderheit mit guten Argumenten hinterherzulaufen, so falsch ist es trotzdem.