Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider legt ein erstes Buch über die Werte und Maximen des künftigen Bundeskanzlers vor.

Von Merkel wussten wir manches, von Kohl viel, von Schröder alles. Und von Olaf Scholz? Woher stammt er, was treibt ihn an, wie sieht er die Welt? Über zehn Jahre hat Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, den SPD-Mann immer wieder getroffen, mal zehn Minuten, mal fünf Stunden lang. Schon nach etwa 40 Treffen, so Haider, sei Scholz ein wenig aufgetaut. Nun legt der Journalist das erste Buch über Werte, Motive und Maximen des künftigen deutschen Regierungschefs vor.

Neues Buch: Schon 2018 erklärte Olaf Scholz seinen Plan

Schon 2018 erklärte Scholz seinen Plan: Zum Ende der Ära Merkel hin würden die Deutschen feststellen, dass ein ähnlicher Typus den Stil der Kanzlerin fortsetzen solle. Die SPD werde die Wahl mit gut 20 Prozent und ihm als Kanzlerkandidaten gewinnen. Haider: „Vielen dachten: Eher wird der HSV Deutscher Meister.“

Der Schock

Die Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg haben Scholz zugesetzt wie nichts sonst in seiner politischen Laufbahn. Am Tag danach „sah er aus wie ein Häufchen Elend“, so Haider: „Das war eine Lehre fürs Leben. So etwas wird ihm nie wieder passieren.“

Die Kunst des Verlierens

Am Tag nach der Niederlage um den SPD-Vorsitz kam Scholz ins Büro, Aktentasche unterm Arm, keine Spur von Zerknirschung, es gab weder Nachtreten noch Rache. Haider: „Wie Helmut Schmidt guckt er nie zurück, sondern immer nach vorn.“ Seinem gelassenen Umgang mit der Niederlage zollten die Sozialdemokraten Respekt, ein Grund, warum die Partei ihn später zum Kanzlerkandidaten kürte.

Der Spröde

„Scholz ist ein zutiefst schüchterner, sehr zurückhaltender Mensch“, weiß Haider. Oft mussten ihn Mitarbeiter schieben, damit er auf Menschen zugeht. Distanz betrachte er als Teil der Amtsführung. Er ist überzeugt, dass Gefühle in seinen Ämtern nichts zu suchen haben: „Die Menschen wollen keinen Zirkusdirektor.“

Scholz und Hobbies

Scholz erklärt Haider mal, dass er keine Hobbies brauche zum Runterkommen, weil er gar nicht erst hochfahre. Als seine Frau ihn drängte, begann er widerwillig mit dem Joggen, das ihm heute Freude bereitet.

Scholz und die Frauen

Wer den künftigen Kanzler auf die Palme bringen will, sollte von „First Lady“ sprechen oder „seiner Frau“. Scholz nennt seine Partnerin und wichtigste Beraterin konsequent „Britta Ernst“. Traumatisch für beide: Als Scholz Erster Bürgermeister in Hamburg wurde, konnte die ausgewiesene Bildungsexpertin Ernst nicht Senatorin werden. Haiders Prognose: „Scholz wird mehr für die Frauen tun als Angela Merkel.“

Größte Schwäche, schärfste Waffe

„Er weiß immer alles besser“, sagt Haider, „leider stimmt es meistens.“ Scholzens Waffe ist seine Höflichkeit. Haider: „Das irritiert manche zutiefst.“

Erste Amtshandlungen

Scholz fände es ungehörig, Merkels Regierung in die letzten Tage zu grätschen. Gleich nach seiner Wahl aber wird der neue Kanzler sich als Krisenmanager beweisen, glaubt Haider, und etwa eine allgemeine Impfpflicht verfügen. „Wir werden uns alle wundern. Und Christian Lindner wird sich noch umgucken.“

Wille

Scholz ist seit jeher davon beseelt, Kanzler zu werden. „Er will, er wollte es seit Jahren. Keiner will es so wie er“, so Haider, „und er ist bereit, sein ganzes Leben der Politik zu unterwerfen.“

Familie

Olaf Scholz wuchs als ältester von drei Brüdern im Hamburger Stadtteil Rahlstedt auf. Seine Eltern arbeiteten in der Textilbranche. Olaf war der erste seiner Familie, der das Abitur machte. Den sozialen Aufstieg habe er der SPD zu verdanken, glaubte Scholz und wurde mit 17 Jahren Juso. Seine Brüder sind ebenfalls in Führungsfunktionen, als Klinikchef und Geschäftsführer einer IT-Firma.

Lars Haider: „Olaf Scholz. Der Weg zur Macht. Ein Porträt.“ 200 Seiten. Klartext-Verlag, 20 Euro.