Hamburg. Nach dem Rauswurf der Staatsrätin erhöht sich der Druck auf Senatorin Anna Gallina. Noch hat sie den Rückhalt ihrer Partei.

Der Paukenschlag vom Freitagabend stellt auch die Funktionsfähigkeit des rot-grünen Bündnisses im Hamburger Rathaus auf die Probe: Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) darum gebeten, ihre Staatsrätin und Parteifreundin Katja Günther in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Tschentscher wird das Ansinnen kaum zurückweisen können, auch wenn er davon nicht überzeugt sein sollte. Täte er es, gäbe es einen ausgewachsenen Koalitionskrach. Die Grünen werden sich von der SPD nicht vorschreiben lassen wollen, wer Staatsrätin oder Staatsrat in „ihrer“ Behörde ist.

Ein lange schwelender Konflikt zwischen Gallina und Günther hat mit einem großen Knall sein abruptes Ende gefunden. An diesem bemerkenswerten Vorgang ist zweierlei festzuhalten: Das grüne Krisenmanagement hat versagt – nicht zum ersten Mal. Es kann den grünen Spitzenpolitikern nicht verborgen geblieben sein, dass die beiden Frauen mehr gegeneinander als miteinander gearbeitet haben. Und wenn doch – umso schlimmer. Längst hätte es des Eingriffs von außen bedurft, um die Lage an der Spitze der Behörde zu stabilisieren. Gallina selbst als politisch Verantwortliche war dazu offenbar nicht imstande.

Der Druck auf die Justizsenatorin nimmt zu

Zweitens mag die Justizsenatorin mit der Entlassung von Günther einen Konflikt beendet haben, aber sie hat sich zugleich neue Probleme geschaffen. Mit Günther verlässt eine sehr erfahrene, in Justizkreisen und auch aufseiten der SPD anerkannte Juristin und Fachfrau die Brücke der Behörde. Vielen gilt Günther als die kompetentere Ansprechpartnerin im Haus an der Drehbahn – und das war wohl auch der Kern der gescheiterten Beziehung der beiden Frauen.

Nicht-Juristin Gallina wird nicht zuletzt im eigenen Interesse schnell eine überzeugende Nachfolgelösung finden müssen. Aber auch der Druck auf sie selbst wird automatisch stärker. Ein Viertel der Legislaturperiode ist verstrichen, und Anna Gallina ist noch nicht wirklich in der Justizbehörde angekommen. Ihre Akzeptanz im eigenen Haus, bei Gerichten und Staatsanwaltschaften ist überschaubar. In ihrem unmittelbaren Umfeld herrscht Unruhe – auch jenseits der Personalie Günther.

Anna Gallina wird einiges ändern müssen

Eine große Belastung ist zweifellos das Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen ihren früheren Partner Michael Osterburg, in dem Gallina als Zeugin gehört wurde. Und es stimmt, als Nicht-Juristin hat sie es unter von sich selbst bisweilen sehr überzeugten Juristen schwer, als Gesprächspartnerin auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Nur: Dass alles war bekannt, bevor sich Anna Gallina im Mai 2020 entschied, Justizsenatorin zu werden.

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Um ihre Behörde aus dem Krisenmodus zu führen, muss Gallina nun auch inhaltlich liefern. Viele Gerichtsverfahren werden komplizierter und dauern erheblich länger. Noch profitiert die Justiz von dem Personalaufwuchs um mehr als 200 Stellen in Richter- und Staatsanwaltschaft, den Gallinas Vorgänger Till Steffen (Grüne) durchgesetzt hat. Bei künftigen Verteilungsrunden in der Koalition mit engerem finanziellen Spielraum nach Corona wird die Senatorin die Interessen der Justiz stärker als bisher durchsetzen müssen.

Die Länder wollen mit der neuen Bundesregierung über eine Verlängerung des „Pakts für den Rechtsstaat“ verhandeln, mit dem der Bund Stellen in den Ländern zum Ausgleich neuer Rechtstatbestände, die zu aufwendigen Ermittlungen und Verfahren führen, finanziert hat. Die Initiative zur Forderung der Länder kam aus Hamburg. Taktgeber war Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), nicht die Justizsenatorin. Auch das wird Anna Gallina ändern müssen. Noch halten die grünen Parteifreunde zu ihr.