Hamburg. Die Stadt Hamburg verschärft ihre Klimaziele. Entscheidend wird aber sein, ob und wie man sie umsetzen kann.
In mindestens einem Punkt hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) recht beim rot-grünen Klimastreit vor der Bundestagswahl: Es ist keine Kunst, sich immer neue, ehrgeizigere Ziele zu setzen. Das kann jeder, und es kostet Politiker im Zweifel nur ein müdes Lächeln.
Die Kunst besteht darin, große Ziele auch zu erreichen – und dafür die geeigneten Maßnahmen zu identifizieren, zu ergreifen und durchzusetzen. Sich gar keine (hohen) Ziele zu setzen, ist aber auch keine Lösung. Denn wer sich nichts Großes vornimmt, der erreicht auch nichts. Das gilt für Unternehmen, Sportler und Politik gleichermaßen. Diese beiden Einsichten spiegelt auch der Kompromiss, den SPD und Grüne am Montagabend in einer hochkarätigen Koalitionsrunde geschlossen haben.
Hamburgs verschärfte Klimaziele
Man hat sich geeinigt, die Klimaziele zu verschärfen – wie es die Grünen wollten, wenn auch nicht so stark, wie sie es vorgeschlagen hatten. Zugleich ist man übereingekommen, die Erarbeitung der Maßnahmen zur Zielerreichung vorzuziehen – wie es die SPD wollte. Dass sich die Koalitionäre so schnell verständigen konnten, zeigt vor allem eines: Der Konflikt wurde vor der Wahl von beiden Seiten aufgebauscht.
Nur so konnten Grüne der SPD mal wieder nachsagen, sie wolle gar keinen ausreichenden Klimaschutz – und die Genossen konnten ihr Lieblingslied von den angeblich so unseriösen Grünen singen, die immer nur fantastische Ziele setzen, aber null Ahnung von Umsetzung haben.
Fleisch muss zum Luxusgut werden
Nun hat sich der Pulverdampf gelegt, es steht keine Wahl an, und SPD und Grüne können sich endlich wieder aufs gemeinsame Regieren verlegen. Dabei liegt vor ihnen die vielleicht größte Herausforderung in der Geschichte der Bundesrepublik. Denn um die Erderwärmung zu bremsen, muss sich die Art radikal verändern, wie Menschen auch in Hamburg leben, wie sie produzieren, konsumieren, wohnen, essen und sich durch Stadt, Land und Welt bewegen.
Wie schmerzhaft die nun anstehenden Veränderungen am Ende sein werden, darüber gehen die Einschätzungen auseinander. Aber die derzeit schon unabhängig von der CO2-Bepreisung radikal steigenden Energiepreise geben einen Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn wir alle einen angemessenen Preis für das schädliche Klimagas bezahlen müssen, das wir jahrzehntelang sorg- und kostenlos in die Atmosphäre geblasen haben.
Heizen und Bauen (also Wohnen) und CO2-trächtige Mobilität werden dann teurer, extrem klimaschädlich produzierte Nahrungsmittel (wie Fleisch) müssten zum Luxusgut werden. All das wirft auch Fragen der (Um-)Verteilung auf: Denn natürlich können Geringverdiener sich massiv steigende Kosten für Wohnen, Mobilität oder Ernährung nicht leisten – Besserverdiener oder Vermögende schon eher.
Wird Hamburg Vorzeigestadt beim Klimaschutz?
Die Optimisten gehen davon aus, dass das große Umsteuern ohne große Schmerzen und soziale Verwerfungen möglich ist. In Hamburg setzen sie auf klimafreundlichen Umbau der Fernwärme, massiven Ausbau von Fotovoltaikanlagen (etwa auf Parkplätzen), Solardachpflicht, die Elektrifizierung des Verkehrs, grünen Wasserstoff und die Umstellung der Industrie auf CO2-arme Produktion. Im besten Fall wird Hamburg damit nicht nur Vorzeigestadt beim Klimaschutz, sondern profitiert auch wirtschaftlich als technologischer Vorreiter.
Ob das gelingt und die Maßnahmen schnell genug die nötigen Effekte erzielen, damit auch Deutschland und Hamburg ihrer Verantwortung für den Planeten gerecht werden, muss sich zeigen. Wenn es absehbar nicht reicht, muss die Politik nachschärfen. Ziele nach unten zu korrigieren, ist keine Option, wenn wir es mit unserer Verantwortung für kommende Generationen ernst meinen.