Hamburg. Forschungen an der Elbe zeigen, dass Eindeichungen den CO2-Ausstoß vergrößern, weil die Böden weniger speichern können.
Natürliche Flusslebensräume sind selten geworden, dabei leisten sie effektiven Klima- und Hochwasserschutz. Bei Überschwemmungen bieten Wiesen und Auenwälder dem Wasser Platz und nehmen es wie ein Schwamm auf. Zudem speichern sie Kohlenstoff und gleichen so Kohlendioxid-Emissionen aus.
Wie viel Kohlenstoff die Böden der Flussauen enthalten, untersuche ich mit Kolleg/-innen vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. Vor allem analysieren wir, welche Faktoren den größten Einfluss haben: Überflutungen, das gefallene Laub oder das Alter der Auenwälder?
Unser Untersuchungsgebiet liegt an der unteren Mittelelbe – einst geprägt durch artenreiche Auenwälder, Sandbänke und Überflutungsflächen. Heute sind die besonders schützenswerten Hartholzauen, in denen Eiche und Ulme dominieren, vielerorts durch Deiche vom Fluss getrennt. Grünlandflächen dominieren die wasserzugewandte Seite vom Deich.
Wie viel Kohlenstoff enthalten die Böden der Flussauen?
Zwischen Havelberg und Bleckede richteten wir 49 Untersuchungsflächen mit einer Größe von jeweils 2500 Quadratmetern ein. Sie liegen sowohl vor als auch hinter dem Deich. So konnte ich überflutete und nicht überflutete Flächen vergleichen. Außerdem untersuchte ich, wie sich Wald- und Grünlandflächen unterscheiden.
Ich nahm etwa 1000 Bodenproben. Dafür hob ich bis in eine Tiefe von 1,60 Metern Gruben aus und bohrte Löcher. Im Labor untersuchten wir die Proben auf ihren Kohlenstoffgehalt. Das Prinzip der Analyse: In unserem Messgerät verbrennen die Proben bei 1200 Grad Celsius. Mineralische Bestandteile wie Sandkörner bleiben erhalten. Humus, Blätter und tote Organismen verbrennen hingegen. Der darin enthaltende Kohlenstoff steigt als CO2 auf und wird aufgefangen. So lässt sich bestimmen, wie viel Kohlenstoff die Probe enthält.
Um zu berechnen, wie viel Kohlenstoff ein Hektar unserer Untersuchungsflächen bindet, haben wir zusätzlich Proben mithilfe von Stechzylindern genommen. Die Probe liegt in dem teetassengroßen Zylinder genauso wie an ihrem natürlichen Standort. Pflanzenwurzeln, Bodenporen und kleine Steine bleiben an Ort und Stelle. Den Kohlenstoffgehalt der Proben rechnete ich mithilfe eines Computermodells auf einen Hektar hoch.
Eine mit altem Auenwald bewachsene Überflutungsfläche speichert am meisten Kohlenstoff
Unsere Ergebnisse zeigen: Die durch Deiche vom Wasser getrennten Flächen enthalten 33 Prozent weniger Kohlenstoff als die von der Elbe überschwemmten Flächen. Die vom Wasser mitgeschwemmten Partikel tragen also viel Kohlenstoff ein – siebenmal mehr als die gefallenen Blätter. Das stellte ich fest, als ich bewaldete und Grünlandflächen miteinander verglich. Auch die Höhe der Überflutungsflächen ist relevant: Tiefer gelegene Flächen werden häufiger überflutet und sind durch die Nähe zur Elbe feuchter. Sie speichern 50 Prozent mehr Kohlenstoff als höhere Gebiete. Denn je feuchter der Boden, desto mehr Kohlenstoff ist enthalten, weil organisches Material langsamer zersetzt wird.
Fazit: Eine mit altem Auenwald bewachsene Überflutungsfläche speichert am meisten Kohlenstoff. Bis in eine Tiefe von einem Meter enthält der Boden durchschnittlich 124 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar. Zum Vergleich: In deutschen Wäldern sind durchschnittlich 99 Tonnen pro Hektar gebunden. In den von mir untersuchten Hartholzauen sind es also 25 Prozent mehr. Sinkt der Wasserstand der Elbe jedoch wie in den vergangenen Jahren weiter ab, wird mehr Kohlenstoff in Form von CO2 aus dem Boden entweichen – mithilfe von Messungen behalte ich das genau im Blick.
Adrian Heger ist Experte für den Kohlenstoffkreislauf in Böden und promoviert am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg.