Hamburg. Hat die Bundestagswahl Deutschland verändert? Das Auftreten von FDP und Grünen, der sogenannten Zitrus-Koalition, ist erfrischend.

„Ich kann mich gar nicht entscheiden, ist alles so schön bunt hier!“, hat Nina Hagen in der Coverversion eines Klassikers der „Tubes“ vor mehr als 40 Jahren über das deutsche Fernsehprogramm gesungen. So kunterbunt ist auch das politische Deutschland nach der Bundestagswahl geworden. Nach vielen Jahren einer wie zementierten Großen Koalition haben die Wählerinnen und Wähler in kollektiver Intelligenz die Verhältnisse zum Tanzen gebracht. Eben noch Starre, mit einem Schlag Bewegung.

Alles ist anders. Die SPD: zu neuem Leben erweckt mit einem Wahlergebnis um zehn Punkte über der reglosen Linie von 15 Prozent, bei der sie vorher wie festgetackert stand. Die Union hat nach ihrem schon 2017 schlechtesten Wahlergebnis seit Menschengedenken noch ein erheblich darunter liegendes beschert bekommen.

Zitrus-Koalition aus FDP und Grünen

Grüne und Liberale wiederum haben beide fast aufgeschlossen zu den vormals Großen und nehmen sich die Freiheit, nicht ihrerseits artig auf die Offerten von Union und SPD zu warten, wie das früher der Fall war. Sondern gemeinsam zu bestimmen, wer da als Kanzler zu Grün-Gelb dazukommt: Don’t call us, we call you.

Diese Herangehensweise führt erst so richtig vor Augen, wie gelähmt das politische Gefüge mit ihrem jahrzehntelang gleichen Personal in der Regierung war. So wie Rot-Grün damals die erfrischende Neuerung nach 16 Jahren Helmut Kohl war, so erfrischend wirkt diese sogenannte Zitrus-Koalition aus grüner Limone und gelber Zitrone, wenn man Lindner, Wissing, Habeck und Baerbock in professioneller Eintracht erlebt.

Doch so überraschend ist das nicht. Bei der nächsten Generation haben Grüne und Gelbe besser abgeschnitten als die vormaligen Platzhirsche Union und SPD. Sie spiegeln deren Lebensgefühl, sprechen deren Sprache, adressieren deren Themen.

Die Opposition ist am Drücker

Aus dem Scheitern von Jamaika vor vier Jahren haben die beiden Oppositionsparteien gelernt. Grüne und Gelbe agieren souverän, hochkonzentriert, systematisch und professionell, machen kommunikativ bislang keinen Fehler.

Der Elan jener, die seit vielen Jahren in der Opposition darauf warten, wieder einmal Teil einer Regierung zu werden, dazu die Erfahrung eines Olaf Scholz, der schon vor der Wahl, manchmal im Übermaß, den Eindruck vermittelte, bereits Bundeskanzler zu sein: Diese Mischung ist kein Garant, dass die dringend notwendige Modernisierung dieses Landes von der Ampel angepackt wird. Aber eine gute Voraussetzung dafür.

Was macht die CDU aus dem Kollaps?

Demgegenüber macht die CDU mit jedem Tag mehr den Eindruck, als müsse sie dringend in die Reha. Wenn sich dort neben dem lange irritierend-krampfigen Klammern Armin Laschets an den letzten Strohhalm von Jamaika überhaupt Kräfte zeigen, dann selbstzerstörerische. Die CDU sackt buchstäblich in sich zusammen. Implodiert.

Vielleicht liegt aber auch in diesem Kollaps der ewigen Kanzlerpartei CDU eine Chance: Wenn alte Männer wie Volker Bouffier und Wolfgang Schäuble dort zuletzt diejenigen waren, die den Kanzlerkandidaten und damit die Geschicke der Partei bestimmten, führt das die Dringlichkeit einer personellen Verjüngung eindrücklich vor Augen.

Kreative Zerstörung hat der Ökonom Joseph Schumpeter einmal dem Kapitalismus als gesunde Eigenschaft bescheinigt. Diese Kraft der kreativen Zerstörung gibt es auch in der Demokratie. Sie hat am 26. September gewirkt und im politischen Gefüge Deutschlands keinen Stein mehr auf dem anderen gelassen. Und das ist auch gut so.