Hamburg. Bilanz der Dekadenstrategie: Noch nie floss so viel Geld in den hiesigen Sport wie in den vergangenen zehn Jahren.

Genau zehn Jahre ist es jetzt her, als im September 2011 ein etwas sperriger Begriff Eingang in den Sport fand: Dekadenstrategie. Mit der Agenda 2021 der Autoren Christian Hinzpeter und des 2020 verstorbenen Thomas Beyer, einem Grundsatzpapier für Vereine, Verbände, Behörden, konnten einst nur wenige etwas anfangen.

Am Ende dieser Dekade begreifen nun einige, dass jenes Handlungskonzept HAMBURGmachtSPORT dank der Hartnäckigkeit des damaligen Innen- und Sportsenators Michael Neumann (SPD) den Aufbruch in die Sportstadt Hamburg auslöste, die sich seit 2018 als eine von sechs Städten weltweit Global Active City nennen darf. Weil Neumanns SPD-Nachfolger Andy Grote von 2016 an die neuen Ideen nicht nur aufnahm, sondern sie weiterentwickelte.

Eine Milliarde Euro für den Sport in Hamburg

Eine Zahl macht das besonders deutlich: Hamburg wird von 2012 bis 2027 rund eine Milliarde Euro in den Neu-, Umbau oder die Instandsetzung seiner Sportanlagen und Turnhallen, städtische wie vereinseigene, investiert haben, weit mehr als jede andere Kommune in diesem Land in dieser Zeit. Mehr als 100 Hallenfelder werden in dieser Phase zusätzlich entstanden sein. Überhaupt floss noch nie so viel privates (Alexander-Otto-Sportstiftung), unternehmerisches und staatliches Geld in den Hamburger Sport wie in den vergangenen zehn Jahren.

13 Millionen Euro Corona-Hilfen der Stadt für das Überleben von Vereinen, Verbänden und Veranstaltern wären wohl ohne die Dekadenstrategie – und das Monitoring der Zukunftskommission Sport unter Leitung des ehemaligen Segel-Weltmeisters Michael Beckereit – undenkbar gewesen.

Abstieg des HSV bestärkte Kritiker

Die Kritiker, die Hamburgs Anspruch als Sportstadt/Active City weiter als inhaltsleere Anmaßung verurteilen, sind aber nicht verstummt. Der Abstieg des HSV aus der Fußball-Bundesliga hat sie in ihrer Meinung bestärkt, Hamburg sei eher Sportprovinz als -metropole. 2018 gab es in Deutschland unter den zehn größten Städten nur zwei, die keinen Erstligaverein in einer der fünf populären Teamsportarten Fußball, Basketball, Eishockey, Handball, Volleyball stellten: Essen und eben Hamburg.

Der Aufstieg der Towers 2019 in die Basketball-Bundesliga, die Rückkehr des HSV Hamburg ins Handball-Oberhaus haben das Schreckensszenario etwas retuschiert, die neu gegründeten Sea Devils erreichten in der Premierensaison der European League of Football gleich das Endspiel an diesem Sonntag in Düsseldorf.

Ein Blick zurück ins Jahr 1999

Dass Hamburg auf breiter Front in die Zweitklassigkeit abrutschen konnte, war kein städtisches Versagen, vielmehr die Konsequenz privatwirtschaftlichen wie sportlichen Missmanagements (HSV), der Laune privater Geldgeber (Handball) geschuldet oder bei den Freezers (Eishockey) und dem Volleyballteam Aurubis durch Entscheidungen ihrer Hauptsponsoren/Eigentümer verursacht. Hinzu kam: Nach der von den Hamburgerinnen und Hamburgern am 29. November 2015 abgelehnten Bewerbung der Stadt für die Sommerspiele 2024/2028 froren viele Firmen ihr finanzielles Sportengagement zunächst ein.

Wer bewerten will, wo Hamburg sportlich steht, dem sei ein Blick ins Jahr 1999 empfohlen. In einer Abendblatt-Umfrage unter den 50 größten Unternehmen der Stadt, ob sie sich vorstellen könnten, Ausbildungs- oder Arbeitsplätze für Sportlerinnen/Sportler vorzuhalten Sponsorings einzugehen oder Bandenwerbung zu schalten, kreuzten diese bei 200 Antworten 198-mal Nein an.

Viele Jugendteams können in Hamburg nicht trainieren

Erst mit der im Sommer 2001 vom damaligen Sportamtsdirektor Hans-Jürgen Schulke mit initiierten, später ebenfalls gescheiterten Olympiabewerbung für 2012 begann sich die Wirtschaft intensiver für den Sport zu interessieren und ihn zu fördern. 2002 gründeten Stadt und Handelskammer die Stiftung Leistungssport.

Wer jedoch berechtigte Kritik an der Sportstadt üben will, darf sich darüber aufregen, dass für Millionen Euro modernisierte Sportanlagen wie die Bahrenfelder Baurstraße geschlossen bleiben, zig Jugendteams nicht trainieren oder spielen können, weil kurzfristig der schlecht bezahlte Platzwart fehlt.

Dritte Sportstunde an Schulen wartet auf Umsetzung

Auch die mit der Olympiabewerbung 2012 versprochene dritte Sportstunde an Schulen wartet auf flächendeckende Umsetzung genauso wie die Einrichtung weiterer Bewegungs-Kindergärten. Eine Sportstadt sollte auch von unten nach oben gedacht werden. Die Active-City-Strategie, die von 2022 an die ausgelaufene Dekadenstrategie fortschreibt, gerade vom Sportamt ausgearbeitet wird, muss sich an dieser Herausforderung messen lassen. Wie zu hören ist, scheint auch sie höheren Anforderungen gerecht zu werden.