Hamburg. Sollten nur Genesene und Geimpfte an Kultur teilhaben können? Lars Haider erklärt, weshalb das auch im Interesse der Steuerzahler wäre.

Mike schreibt: „Danke für euren mutigen Schritt. Gesundheit geht vor.“

Klaus Meier schreibt, direkt darunter: „Schade, dass ich einen Besuch in einem ihrer drei Häuser vor dem Hintergrund der Nutzung der 2G-Regel für den Rest meines Lebens ausschließen muss.“

2G oder 3G? Das sorgt in Hamburg für eine Debatte

Die beiden Einträge im virtuellen Gästebuch der Schmidt-Theater zeigen exemplarisch, wie die aktuell am meisten diskutierte Frage der Corona-Pandemie – nur genesen und geimpft oder auch getestet? – beginnt, die Gesellschaft zu spalten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat genau vor dieser Spaltung jetzt in einem Abendblatt-Interview gewarnt, es gleichzeitig aber „nicht unklug“ genannt, dass der Hamburger Senat Theatermachern die Chance gibt, unter 2G- oder 3G-Bedingungen zu arbeiten.

Bürgermeister Peter Tschentscher hat dafür am Mittwoch bei der Feier des 30. Geburtstages der Schmidt-Theater auf der Reeperbahn länger Beifall erhalten als alle anderen Künstlerinnen und Künstler, die bei der Gala aufgetreten sind.

Theater können nur unter 2G wirtschaftlich arbeiten

Wer den Theaterinhabern Norbert Aust und Corny Littmann zuvor gut zugehört hatte, wird verstehen, dass es für sie – und für die meisten anderen Kulturschaffenden – gar keine andere Möglichkeit gibt, als ihre Häuser kurz- bis mittelfristig ausschließlich für Geimpfte und Genesene zu öffnen, weil sie nur dann alle Plätze vergeben, wirtschaftlich arbeiten und überleben können.

Selbst die vor Corona kerngesunden Schmidt-Theater hätten die Pandemie ohne staatliche Hilfen nicht überstanden, das haben die Macher unumwunden zugegeben. Für sie ist 2G deshalb wie eine Erlösung und die einzige Chance, über den Herbst und Winter zu kommen.

Lars Haider ist  Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.
Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts. © HA | Andreas Laible

Und ja: Als einer der ersten Theaterbetriebe 2G anzuwenden, ist einerseits mutig, weil andere Häuser noch zögern oder bereits angekündigt haben, bei 3G bleiben zu wollen (was übrigens leichter fällt, je höher die staatlichen Zuschüsse sind). Andererseits hat man im Schmidt die Zahlen der vergangenen 3G-Wochen genau ausgewertet, und dabei festgestellt, dass 95 (!) Prozent aller Besucherinnen und Besucher sowieso geimpft oder genesen und bei den verbleibenden fünf Prozent viele dabei waren, die nur noch auf ihre zweite Impfung warten. Das heißt: Das Risiko auf 2G umzustellen, und dadurch in der eigenen Zielgruppe Menschen zu verschrecken, ist im Verhältnis zu den Chancen, die es bietet, überschaubar.

2G in Hamburg kann finanzielle Einbußen verhindern

Kommt hinzu, dass auch die 2G-Regel nur für eine Übergangszeit gelten dürfte, bis hoffentlich spätestens im nächsten Frühjahr alle Corona-Beschränkungen fallen. Als Kritiker könnte man anmerken, dass es auf die paar Monate nun auch nicht mehr ankommt. Wenn man die Littmann und Aust erlebt hat, weiß man aber, dass das genaue Gegenteil richtig ist. Wer als Kulturschaffender nicht noch einmal in eine solch bedrohliche Lage wie im vergangenen Jahr kommen will, muss man jetzt handeln und Entscheidungen treffen.

Alles andere könnte richtig gefährlich werden. Nicht nur für das Unternehmen und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich im Interesse ihrer eigenen Arbeitsplätze komplett impfen lassen müssen, sondern auch für Hamburg. Die Stadt verdankt ihre Attraktivität nicht zuletzt extravaganten und populären Kulturschaffenden wie Littmann und Aust, die jahrzehntelang sehr stolz waren, ohne staatliche Subventionen – und damit ohne Gelder von den Steuerzahlern – auskommen zu können, und dort auch möglichst schnell wieder hinkommen möchten. Weil das auch im Interesse des Senats ist, der bald beginnen muss, die hohen Corona-Schulden abzuzahlen, gibt es 2G unter anderem auch …