Hamburg. In der Zweiten Liga konnte der FC St. Pauli vier der letzten fünf Stadtderbys gegen den HSV gewinnen. Kommt jetzt die Wachablösung?
Die einfache Antwort auf diese nahe liegende Frage lautet: Nein. Sportlich mag der FC St. Pauli den HSV für den Moment überflügelt haben, doch strukturell ist der 85.000-Mitglieder-Koloss HSV noch immer in einer anderen Liga als der 30.400-Mitglieder-Verein.
Vergleicht man Stadien, Einzugsgebiete, öffentliches Interesse, Geschäftsstellen, Mitarbeiter, Umsätze und Etats, dann ist der HSV trotz zwei Niederlagen in Folge gegen den Kiezclub noch immer deutlich die Nummer eins der Stadt.
St. Pauli gegen HSV: Klare Stadtderby-Bilanz
Nur ganz so einfach ist die Antwort auf die legitime Frage nicht. Denn dummerweise halten sich die, auf die es eigentlich ankommt, schon seit Jahren nicht mehr an das einzementierte Ranking der Zahlen der beiden Clubs.
St. Paulis Fußballer haben nur eines der bislang sieben Zweitliga-Duelle gegen den HSV verloren. Vier der letzten fünf Derbys wurden gewonnen, eines ging (glücklich für den HSV) Unentschieden aus.
HSV nützt Größe und Historie wenig
Der HSV wird immer der größere Club sein, hat die bedeutendere Historie und das größere Potenzial. Das Problem an der ganzen Geschichte: Es bringt nur nichts, wenn Potenzial, Historie und Größe nicht genutzt werden. Im schnelllebigen Geschäft Profifußball hat sich der HSV einfach mal ein Jahrzehnt Dilettantismus gegönnt – und muss nun mit den Konsequenzen leben.
Eine dieser Konsequenzen ist die etwas ausführlichere und aus HSV-Sicht vor allem schmerzhafte Antwort auf die Wachablösungs-Frage. Die Macher beim FC St. Pauli haben es durch herausragende Arbeit, Geschick, Geduld und Verstand geschafft, im Schatten des Scheinriesen HSV zu einer echten Größe heranzuwachsen.
Hamburg steht vor dem Ruhrpott-Phänomen
Gelingt es ihnen, den eingeschlagenen Weg auch in dieser Spielzeit unaufgeregt weiter zu gehen, dann steht Hamburg am Ende der Saison vor dem Ruhrpott-Phänomen. Dort ist und bleibt Schalke natürlich auch als Zweitligist ein Gigant. Und niemand in Bochum schwingt nun große Wachablösungsreden.
Beim VfL spielt man lieber Fußball. Ab sofort gegen Bayern München, Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, RB Leipzig – und in der nächsten Saison möglicherweise gegen einen kleinen, aber feinen Hamburger Club.