Der CDU-Landeschef Christoph Ploß will das Gendern verbieten – ein mutiger wie populistischer Vorstoß.

Es kommt eher selten vor, dass der Hamburger CDU-Chef die Nachrichten dominiert. Mit 11,2 Prozent bei der vergangenen Bürgerschaftswahl gilt die CDU in Hamburg als größere Splitterpartei, so wie die SPD in Bayern. Mit seinem Vorstoß auf spiegel.de, staatlichen Stellen das Gendern zu verbieten, hat Christoph Ploß in ein Wespennest gestochen: Wütende Kritik wie überschwängliches Lob erreichten den 35-Jährigen, der bundesweit als einer der Hoffnungsträger der Konservativen in der Union gilt.

Ploß’ Vorstoß ist so mutig wie populär, ja populistisch – und zeigt eine gewisse Unwucht der deutschen Debatten. Wer für eine Mehrheit spricht, wird von einer wortmächtigen Minderheit in der Öffentlichkeit schnell ins Aus gestellt und muss sich warm anziehen.

Deutsche Sprache wird hässlicher

Denn längst gehört das Gendern zum guten Ton einer modernen Avantgarde. Öffentlich-rechtlich sprechen Anne Will, Petra Gerster oder Claus Kleber seit Längerem den Genderstern mit – als kleine Pause und eitle Geste. Viele Verwaltungen von Köln bis Kiel haben umfangreiche Fibeln herausgegeben, wie sich die Behörden in Zukunft auszudrücken haben: Lehrer werden zu Lehrer*innen, Einwohner zu Einwohnenden und Fußgänger zu Zufußgehenden. Man will eben weder eine Einwohnerin noch einen diversen Fußgänger vergessen.

Es gehört kein übermäßiges Sprachgefühl dazu, um zu spüren: Die Sprache mag so gerechter werden, vor allem aber wird sie hässlicher – und unverständlicher. Darin dürfte der Grund liegen, warum in Umfragen regelmäßig zwei Drittel der Deutschen den Genderstern ablehnen. Die Avantgarde in Politik und Medien ficht das nicht an – die Menschen, so tönt es da, haben sich gefälligst damit zu arrangieren.

Mischung aus Anarchie und Ideologie

An Universitäten gibt es für Studentinnen und Studenten schon Punktabzug, wenn sie nicht richtig gendern. Der für die deutsche Sprache international maßgebliche Rat für Rechtschreibung aber empfiehlt „Gender-Stern“ und „Gender-Gap“ ausdrücklich nicht. Dort steht der schöne Satz: „Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege.“

Das hartnäckige Brechen dieser Regeln ist eine Mischung aus Anarchie und Ideologie. Hinter dem Neusprech von oben steckt eine politische Agenda, die über Sprache das Denken verändern will. George Orwell hat es in seiner Dystopie „1984“ schön beschrieben. Breit ist die Front der Gender-Gegner – von Schriftstellern wie Sibylle Lewitscharoff und Rüdiger Safranski über Literaturhauschef Rainer Moritz bis zu den Kabarettisten Dieter Nuhr oder Dieter Hallervorden.

Genderdebatte ist ein Elitenthema

Das Gendern beruht zudem auf einem linguistischen Missverständnis: Das generische Maskulinum kann gar kein Geschlecht ausschließen. Wer den Gedanken von der „geschlechtergerechten“ Sprache träumt, sollte nach Ungarn blicken – Ungarisch ist demnach „geschlechterneutral“. Als besonders frauen- und minderheitenfreundlich fiel das Land von Viktor Orban indes nicht auf.

Die Genderdebatte ist wie so viele Diskussionen im Lande ein Elitenthema. Lieber spricht man über Sprache als mit den Menschen. Für Ploß’ aber war der Vorstoß ein Erfolg. Ausgerechnet die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) mahnte ihn zu mehr „Gelassenheit, Selbstbestimmung und Freiheit“ – dabei drängt ihre Behörde auf Gender-Deutsch in Hamburgs Behörden.

CDU-Chef Ploß hat an Statur gewonnen

FDP-Chef Michael Kruse meinte gar eine „Verbotspartei CDU“ zu erkennen. Und Heike Sudmann von der Linkspartei vergaloppiert sich mit dem Hinweis auf die Hautfarbe des „jungen alten weißen Mannes“. Auf Twitter mag Ploß verloren haben, an Statur hat er gewonnen. Nun muss er nur noch seinen Kanzlerkandidaten überzeugen: Kürzlich wurde auch Armin Laschet beim Gendern erwischt.