Hamburg. Finanzieller Kraftakt könnte alte Vorurteile schüren. Sinnvoller wäre Jüdisches Zentrum für Menschen aller Religionen und Kulturen.
Als gebürtiger Hamburger und bekennender Jude habe ich große Bedenken gegen die vorliegenden Pläne zum Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz. So lobenswert das historische Bekenntnis des Senats und seine Bemühungen zur Förderung von jüdischem Leben auch sein mögen, mit diesem Konzept riskiert die Stadt genau das Gegenteil. Wie möchte man in einer Phase tiefgreifender Einschränkungen der Lebensgewohnheiten und blutenden Staatskassen durch die Corona-Pandemie eine solche Ausgabe öffentlich rechtfertigen?
Eine zeitlich unpassende Zusatzbelastung in dreistelliger Millionenhöhe setzt gewiss kein Zeichen gegen den neuzeitlichen Antisemitismus. Vielmehr werden alte Klischees wie die Instrumentalisierung des Holocausts durch jüdische Institutionen bedient und somit solche Vorurteile geschürt, die es eigentlich auszuräumen gilt. Im Übrigen ist die Hamburger Gemeinde meines Wissens bereits in den 50er-Jahren für die Zerstö- rung ihrer großen Synagoge am heutigen Joseph-Carlebach-Platz 1938 durch die Nazis entschädigt worden. Und sicher gab es für den Hamburger Senat seit Kriegsende genügend Zeit und Gelegenheiten, jüdisches Leben im Grindelviertel neu zu entwickeln und zu fördern
Jüdisches Leben in Hamburg sollte nicht auf den Altlasten der Vergangenheit aufbauen
Für die gesellschaftlich noch immer unzureichende Integration des Judentums ist allerdings nicht nur der Staat verantwortlich. Weder der Zentralrat der Juden in Deutschland noch seine 108 angeschlossenen Gemeinden stellen sich der dringenden Herausforderung, die Grundlagen für eine neuzeitliche jüdische Identität zu vermitteln. Der 1950 gegründete Dachverband als offizielle und politische Instanz von mehr als 100.000 Mitgliedern ist vor allem für religiöse, kulturelle und soziale Aufgaben zuständig. Ein Anspruch, der sich gleichwohl in der Praxis kaum erfüllt und auch keinen Platz für ebenso existenzberechtigte Gemeinschaften wie das liberale und reformierte Judentum einräumt.
Mit rund 2500 Mitgliedern ist die Hamburger Gemeinde erheblich kleiner als Berlin, Frankfurt und München, die bis zu viermal größer sind. Allein schon deshalb relativiert sich der Bedarf einer großen Synagoge, zumal die jüdische Gottesdienste mit Ausnahme der hohen Feiertage bislang nur spärlich besucht werden. Jüdisches Leben in Hamburg sollte nicht auf den Altlasten der Vergangenheit, sondern auf die Chancen der Zukunft aufbauen.
Ich würde mir zum geeigneten Zeitpunkt ein Jüdisches Zentrum am Bornplatz für Menschen aller Religionen, Kulturen und Nationalitäten wünschen. Eine weltoffene Stätte für respektvolles Miteinander statt sinnlosem Gegeneinander. Mit interessanten Veranstaltungen und persönlichen Dialogen ihrer Besucher würde sie neue Brücken der Verständigung schaffen undeinen wichtigen Beitrag gegen den heutigen Antisemitismus leisten.