Hamburg. Fanatiker terrorisieren Frankreich und morden auch in Deutschland – und die Gesellschaft reagiert mit einem kollektiven Schulterzucken.

Dieses Land hat schon viele bizarre Demonstrationen gesehen: Aluhüte protestieren gegen ein Virus, das es angeblich nicht gibt, Ewiggestrige wünschen sich je nach Geisteszustand Deutschland wahlweise in den Grenzen von 1400, 1913 oder gleich 1942 zurück, und Linksextremisten brandschatzen 2017 auf der Elbchaussee für ihre ganz eigene Vision einer besseren Welt. Am vergangenen Wochenende kam eine Demonstration hinzu, die nicht nur bizarr war, sondern auch ein Affront gegen Frankreich: 250 fundamentalistische Muslime demons­trierten in der Hansestadt gegen Macron und „für Respekt unseres Propheten Mohammed“. Als 15 Gegendemonstranten ein Foto des in Frankreich geköpften Lehrers Samuel Paty hochhielten, kam es zu Unmutsbekundungen. Nicht etwa wegen des bestialisches Mordes, nein, sondern wegen des Bildes an sich.

250 gegen 15 – auch das ist eine Zahl, die uns zu denken geben sollte. Während das deutsche Frühwarnsystem gegen Neonazis gottlob gut funktioniert, versagt unser Frühwarnsystem gegen den Islamo-Faschismus kollektiv. Wenn, wie kürzlich in Dresden, ein syrischer Fanatiker einen Homosexuellen ersticht und dessen Freund schwer verletzt, reagiert die Gesellschaft mit einem kollektiven Schulterzucken. All die Aktivisten, die jedes falsche Wort und jeden unbedachten Satz sonst als Vorstufe zur „Machtergreifung“ interpretieren, schweigen beim islamischen Terror stille. Wobei ein paar Ausnahmen ausdrücklich lobend erwähnt werden müssen: SPD-Vize Kevin Kühnert hat die unerträgliche Leisetreterei durchbrochen, als er das „unangenehm auffällige Schweigen“ der Linken kritisierte. Und der Hamburger SPD-Politiker Kazim Abaci rief bei Facebook auf: „Aufstehen gegen den islamistischen Terror. Es reicht!“

Viele Linke wollen sich der Debatte nicht stellen

Leider bleiben sie die Minderheit. Gerade viele Linke wollen sich dieser Debatte nicht stellen – zum einen aus der nachvollziehbaren Sorge, damit den Rechten zusätzlich Schub zu verleihen, zum anderen aus Angst, das eigene idealisierte Multikultibild dem Realitätscheck zu unterwerfen. Und bei manchen Revoluzzern kommt sogar noch ein dritter Aspekt hinzu – die stets enttäuschten Träume der Revolution gegen den Kapitalismus sollen nun ausgerechnet die Islamisten verwirklichen. Es gibt auch in Hamburg Konvertiten, die direkt aus dem Lager von Che Guevara ins Lager von Ajatollah Khomeini übergelaufen sind.

Eine linke Selbstkritik fällt auch deshalb schwer, weil man lange gegen erhebliche Widerstände (und zu Recht!) für die Integration von Zuwanderern gestritten hat. Da fällt es ungleich schwerer einzugestehen, dass manche Siege Pyrrhussiege waren – und die erkämpfte Toleranz die Intoleranz mitunter befördert hat. Denn auch die reaktionäre Spielart des Islamismus hat davon profitiert.

Islamisten bedrohen die Errungenschaften der emanzipierten Gesellschaft

Entscheidend ist, dass sich die Linke davon löst, immer auf die AfD zu starren und dann das Gegenteil zu tun: Wenn die Rechtsaußen gegen Islamismus protestieren, mag das scheinheilig klingen, ist aber trotzdem nicht falsch. Ganz im Gegenteil geht es im Kampf gegen den Islamismus um eine urlinke Sache: Sie bedrohen die Errungenschaften der emanzipierten Gesellschaft. Es geht um Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit, es geht um die Rechte von Kindern, Frauen, Homosexuellen. Darauf kann und darf es keinen irgendwie gearteten Religionsrabatt geben. Dafür gilt es zu streiten – nicht mit Verallgemeinerungen und Feindbildern, aber auch nicht mit Beißhemmung.

Manche Linke sind peinlich bemüht, sich nicht dem Vorwurf der Islamophobie auszusetzen. Dabei sind das Kampfbegriffe, um eine nötige Debatte zu verhindern. „Mit den Begriffen des ,antimuslimischen Rassismus‘ und der ,Islamophobie‘ werden gegenwärtig Kritik am Islamismus, das heißt an einer illiberalen und antidemokratischen Spielart des Islam, verunglimpft“, schreibt Susanne Schröter, Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam, in dem neuen Buch „Trotzdem. Berichte zur Lage der Nation“. Diese Kampfbegriffe gehen zurück auf die in Saudi-­Arabien ansässige Islamische Weltliga, die iranische Führung und Kreise um den türkischen Präsidenten Erdoğan. Sie alle scheiden als Impulsgeber einer offenen Debatte aus. Wer daran zweifelt, dem empfehle ich einen Blick auf das bizarre Plakat der Demonstranten vom vergangenen Wochenende: „Gegen Islamophobie, gegen Rassismus, gegen Diskriminierung und Beleidigung unseres Propheten“.