Hamburg. Wieder Lieferengpässe beim Impfstoff in Hamburg. In diesem Jahr ist es anders: Corona hat uns ein neues Körpergefühl gegeben.

Murmeltiertag in der Medizin? Mit der Grippe-Impfung ist es jedes Jahr dasselbe. Lieferengpass, Kosten, Wirkstoffe, Rabattverträge – alles Begriffe, die den Patienten im Herbst regelmäßig um die Ohren fliegen. In diesem Jahr ist alles anders, mutmaßlich schlimmer. Die Corona-Pandemie hat allen ein neues Körpergefühl gegeben. Und mit Glück auch einen Bewusstseinswandel.

Wir wollen uns mit einer Impfung nicht nur selbst schützen. Es geht auch um die vulnerablen Gruppen der Gesellschaft, für die wir alle Verantwortung tragen. Für Ältere und Risikopatienten kann eine Grippe tödlich enden. Wir wollen keine Schreckensszenarien malen, sondern uns auf unsere Ärzte verlassen, die uns auch nicht verlassen haben, als das bis dato schlimmstmögliche globale Virus uns heimholte.

Kluger Appell von Melanie Leonhard

Und diese Mediziner sagen – Stichwort Murmeltiertag: Erst die Kranken impfen! Dann die Alten, die Schwangeren und so weiter. Medizinische Leistung, ob von Ärzten erbracht oder als Wirkstoff von Fachleuten verabreicht, ist per se rationiert. Selbst in der Notaufnahme wird „priorisiert“. Es kann nicht immer alles für alle sofort vorhanden sein. Haben wir vergessen, dass wir im März über fehlende Desinfektionsmittel am Chemie-Hightech-Standort Deutschland redeten, über Maskenmangel und Intensivbetten? Medizin ist auch Nachfrage, Logistik, Preis.

Und etwas Kalkül. Senatorin Melanie Leonhard (SPD) redete gestern die Lieferengpässe klein, um keine Panik zu schüren. Ihr Appell, die Risikogruppen vorzuziehen, war aber ein Wink mit dem Zaunpfahl. Ihre Vorgängerin hatte in der heftigen Grippewelle 2018 von „Fällen im üblichen statistischen Schwankungsbereich“ gesprochen, ehe die höchste Zahl an Grippetoten seit Jahren zu beklagen war. Das war unklug. Heute sind wir alle etwas schlauer.