Hamburg. Der frisch gewählte Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß übernimmt eine demoralisierte Partei.
Christoph Ploß, am Wochenende zum neuen Landesvorsitzenden der Hamburger CDU gewählt, bringt zwei charakterliche Eigenschaften für das Amt mit, die für die demoralisierte und an sich selbst zweifelnde Union von zentraler Bedeutung sind. Nummer eins: Der 35 Jahre alte Bundestagsabgeordnete strahlt Optimismus aus, versprüht in der Regel gute Laune und kann so für die dringend erforderliche Aufbruchstimmung in dem Landesverband sorgen.
Die zweite Eigenschaft ist fast noch wichtiger: Ploß zeichnet ein immenser Fleiß aus, der ihm ein beachtliches Pensum ermöglicht, das er nicht zuletzt medial zu nutzen weiß. Oder wie sein enger Weggefährte, Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering, es auf dem Parteitag ausdrückte: „Er ist eine Maschine. Er steht mit dem Gedanken auf, wie man die CDU nach vorn bringen kann.“
Die Hamburger CDU am Boden
So einen wie Ploß, der sich in seine Herkulesaufgabe, denn um eine solche handelt es sich, hineinkniet, braucht die Hamburger Union in der jetzigen Lage. Nüchtern betrachtet, liegt die Partei am Boden. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben die CDU mit den 11,2 Prozent bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar marginalisiert. Mehr noch: Es ist ein beispielloser Abwärtstrend, der die Partei erfasst hat, die noch vor zwölf Jahren mit absoluter Mehrheit im Rathaus regierte. Die CDU steht da, wo die SPD in Baden-Württemberg oder Bayern schon länger steht: im Abseits. Für das Selbstbewusstsein der Partei ist es ein schwerer Schlag, dass sie in der Bürgerschaft nun nicht einmal mehr zweitstärkste Kraft ist.
Seit einer Dekade finden die Christdemokraten an Elbe und Alster kein Rezept, um ihren galoppierenden Niedergang wenigstens zu drosseln. Die Partei ähnelt dem Fußballverein, der nach schlimmen Niederlagen den Trainerstab auswechselt. Nach Bürgerschaftswahlen wurde das CDU-Führungspersonal regelmäßig geschasst, geholfen hat es nicht. Schon deswegen ist Ploß und seinem etwa gleichaltrigen Buddy Thering, der die dezimierte Fraktion auch erst seit der Wahl führt, zu wünschen, dass die Partei mit ihnen mehr Geduld hat.
Liberale Vertreter in der Minderheit
Ploß und seine Mitstreiter brauchen Zeit, weil sie noch lange an der Formel knobeln müssen, die ihren Landesverband zurück in die Erfolgsspur bringt. Was Ploß bislang vorgelegt hat, ist nicht mehr als ein anständiger Anfang. Die von ihm geforderte Stärkung der klassischen Kernkompetenz Wirtschaft ist naheliegend. Das Zusammendenken von innovativem Klimaschutz und Wirtschaftspolitik, das Ploß propagiert, ist nachvollziehbar, aber nicht über die Maßen originell. Auch der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat diese Maxime längst für sich erkoren und damit nicht zuletzt erfolgreich Wahlkampf geführt.
Vielleicht ist es einfach das: Die Union trifft nicht mehr das Lebensgefühl der Stadt. Mit dem Slogan „Michel.
Alster. Ole“ kam die Partei locker daher und war mit Ole von Beust mehrheitsfähig in einer Metropole mit traditionell liberaler Grundausrichtung. Die CDU hat sich intern seitdem beinahe aufgerieben: Da waren die Konservativen, die von Beust nicht die (gescheiterte) Primarschulreform verziehen haben und die klar für eine Obergrenze bei der Zuwanderung von Flüchtlingen 2015/16 waren. Die Vertreter einer dezidiert liberalen Großstadtpolitik sind in der Minderheit. Dass Ploß ein eher konservatives Profil hat, muss kein Nachteil sein. Wichtig ist jedoch, dass es ihm gelingt, die unterschiedlichen Strömungen zusammenzuhalten. Schon bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl wird er sein Talent zu Moderation und Integration unter Beweis stellen müssen.