Mit der Doppel-WM im Triathlon und dem Tennisturnier erhält Hamburg unverhofft große Chancen. Nun gilt es, sie zu nutzen
„Wir waren sehr überrascht, als man uns informierte, dass es in dieser Saison doch noch ein Rennen geben werde. Aber wenn wir uns einen Ort dafür hätten auswählen dürfen, dann wäre es Hamburg gewesen. Hier stimmen alle Voraussetzungen.“ Mike Cavendish, der Sportdirektor des britischen Triathlonverbands, hat diese Sätze im Gespräch mit dem Abendblatt gesagt. Sie sind, bevor an diesem Wochenende im Stadtpark die Doppel-WM der Dreikämpfer, bestehend aus Sprintrennen der Frauen und Männer sowie einer Mixedstaffel, ausgetragen wird, Vorschusslorbeeren und Bestätigung zugleich.
Vorschusslorbeeren, weil Athletinnen und Athleten aus aller Welt mit einer Mischung aus Hochachtung und Erwartung auf Hamburg und dessen im internationalen Vergleich so souveränen wie vorsichtigen Umgang mit der Corona-Pandemie schauen. Bestätigung, weil die Sportveranstalter und Entscheidungsträger der Stadt hoffen dürfen, dass sich Beharrlichkeit, Kompromissbereitschaft und Kreativität auszahlen werden; wenn auch wahrscheinlich nicht kurzfristig, so doch auf lange Sicht.
Mit dem Triathlon-Event an diesem Wochenende und dem Herrentennisturnier, das mit dem besten Teilnehmerfeld seit zwölf Jahren vom 19. bis 27. September im frisch renovierten und gestern vorgestellten Rothenbaum-Stadion ausgetragen wird, bekommt die Stadt zwei großartige Gelegenheiten, sich ins Schaufenster des Weltsports zu stellen. Unverhofft kommen diese Chancen, die die Global Active City, wie sich Hamburg seit zwei Jahren nennen darf, inmitten der weltweiten Corona-Pandemie zum Krisengewinner machen.
Für die Ausrichtung einer Triathlon-WM sind in normalen Zeiten Bewerbungs- und Lizenzgebühren in sechsstelliger Höhe notwendig. In diesem Jahr erlässt der Weltverband jegliche Gebühren, weil er froh ist, dass sich überhaupt ein Ausrichter fand, um den Sportlerinnen und Sportlern wenigstens eine Möglichkeit zu geben, sich im Wettkampf zu messen. Das Tennisturnier wiederum profitiert davon, dass in Madrid wegen steigender Corona-Infektionszahlen nicht gespielt werden darf. Der dadurch frei gewordene Termin vor den – ebenfalls virusbedingt verschobenen – French Open lockt eine Reihe an Profis an die Hallerstraße, die zum angestammten Datum im Juli einen großen Bogen um den Hamburger Sand machen.
Der kurzfristige Effekt dieser globalen Sporthöhepunkte wird überschaubar bleiben, das ahnen die Veranstalter bereits. Da Zuschauer beim Triathlon komplett ausgeschlossen und beim Tennis nach aktuellem Stand auf 1000 pro Tag beschränkt sind, werden weder bestehende Sponsoren ihre Zuwendungen erhöhen noch potenzielle Neukunden Schlange stehen. Auch der sportliche Wert der Wettkämpfe ist angesichts der außergewöhnlichen Umstände zumindest infrage zu stellen.
Die Zeichen jedoch, die gesendet werden, könnten nachhaltig wirken. Wer als Unternehmer sieht, dass eine Stadt auch in Krisenzeiten hinter ihren Sportveranstaltungen steht, investiert in guten Tagen vielleicht umso lieber dort. Wer als Athlet spürt, dass Veranstalter sich unter erschwerten Bedingungen um Normalität bemühen, kommt in Post-Corona-Zeiten vielleicht umso lieber zurück.
Damit all jene positiven Effekte tatsächlich eintreten, ist indes umso mehr Durchhaltevermögen und Ideenreichtum gefragt. Stadt und Veranstalter sollten deshalb nicht nur so akribisch wie möglich auf einen reibungslosen Ablauf der beiden Leuchtturmprojekte hinarbeiten. Es braucht auch, sofern im kommenden Jahr weder Impfstoff noch Medikamente gegen Covid-19 gefunden sein sollten, kreative Konzepte, um im nächsten Schritt die Zulassung von Zuschauern wieder zu ermöglichen.
Zudem gilt es, nicht nur an die Großen zu denken, sondern die bunte Sportlandschaft der Stadt in ihrer Gesamtheit zu fördern und mitzunehmen. Nur mit dem Mut, sich weiterhin für Topveranstaltungen zu bewerben und gleichzeitig die Vielfalt zu bewahren, kann Hamburg aus der Sonderstellung des Corona-Jahres dauerhaften Profit generieren – und zu einem Standort werden, an dem wirklich alle Voraussetzungen stimmen.