Die Corona-Krise ruiniert den Haushalt – und könnte langfristig den Deutschen eine rot-rot-grüne Mehrheit bringen.
Ungefähr so darf man sich fühlen, wenn man fast pleite ist. In der Brieftasche stecken noch ein paar Kreditkarten, und die werden munter benutzt, solange sie noch Geld hergeben. Aber es ist ein Vergnügen mit Restlaufzeit: Irgendwann werden die Karten gesperrt, dann ist Schluss mit lustig und die Pleite da. Ganz so weit sind wir in Europa noch nicht, aber wir eilen mit Siebenmeilenstiefeln auf dieses Ziel zu. Die schwarze Null war gestern – heute werden Schulden gemacht, als gäbe es kein morgen.
Die Milliarden fließen derzeit nicht nur in Hamburg oder Deutschland, sondern europa-, ja weltweit. Das kleine
Virus mit einem Durchmesser von 120 bis 160 Nanometer (also 0,00016 Millimeter) reißt billionengroße Löcher in die Firmenbilanzen, Privatvermögen und Staatshaushalte. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Unternehmen, Haushalte und Staaten ohnehin schon über beide Ohren verschuldet sind.
Die Corona-Krise und der verordnete Stillstand kommen dem Land teuer zu stehen. Auf bis zu 1,2 Billionen Euro summieren sich Staatshilfen und Garantien, die Bundesregierung geht inzwischen von einer Neuverschuldung in Rekordhöhe von 7,25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. Und damit nicht genug: Auch Europa denkt in ganz großen Dimensionen: Bis zu 750 Milliarden sollen in ein „Wiederaufbauprogramm“ fließen. Die Deutschen haben die Seiten gewechselt und sind dafür; Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande kämpfen nun ohne Berlin gegen Milliardenhilfen, die manche für Milliardengeschenke halten. Drolligerweise soll Polen – von Corona wirtschaftlich am wenigsten hart getroffen – mit Transfers in Höhe von 38 Milliarden als viertgrößter Empfänger profitieren.
Die Milliarden fließen derzeit schneller ab, als man sie drucken kann. Kaum ein ernst zu nehmender Ökonom wird in der Schockstarre dieser Tage hierzulande zu einem Sparkurs raten – aber Milliarden mit der Gießkanne zu verteilen könnte auch eine suboptimale Strategie sein. Um es klar zu sagen: Nicht jede Würstchenbude, nicht jede Bauchtanzgruppe und auch nicht jede Schraubenfabrik ist systemrelevant. Nicht der, der am lautesten klagt oder am herzzerreißendsten weint, hat das Geld am nötigsten. Auch wenn Olaf Scholz es niemals zugeben würde: Seine Wunderwaffe, die „Bazooka“, verfügt über begrenzte Feuerkraft. Und wie mit einem Schrotgewehr das Geld ins Land zu schießen hilft wenig.
Sinnvoll wäre vielmehr, die begrenzten Mittel des Konjunkturprogramms auf zwei Bereiche zu konzentrieren: auf profitable Unternehmen, die in der Corona-Krise unverschuldet an den Abgrund gerutscht sind, und an Firmen, die Potenzial für die Zukunft haben. Zu Recht drängen die Grünen darauf, nicht in veraltete und klimaschädliche Technologien zu investieren und diese dadurch zu zementieren, sondern vielmehr in die Energie- und Mobilitätswende sowie die Digitalisierung und den Schul- und Hochschulbau.
Es geht um Nachhaltigkeit – allerdings nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich: Entscheidend ist der Return of Investment. Das Geld des Steuerzahlers sollte irgendwann wieder als Steuer zurückfließen.
Und das ist auch bitter nötig. Angesichts der enormen Verschuldung wird es zu Verteilungskämpfen kommen, die derzeit nur von der milliardenschweren Großzügigkeit überlagert sind. Dann wird es interessant. Weitgehend ignoriert wurde eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, die Anfang April zu der Erkenntnis kam, eine Vermögensabgabe sei „grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig“. Das ist ganz nach dem Geschmack der neuen SPD-Führung. Saskia Esken hat schon eine einmalige Vermögensabgabe vorgeschlagen: „Wir werden eine faire Lastenverteilung brauchen – und die kann für die SPD nur so aussehen, dass sich die starken Schultern in Deutschland auch stark beteiligen.“ Je höher die Schulden, desto größer die Begehrlichkeiten.
Das kleine Coronavirus hat auch schon die Verstaatlichungsfantasien eines Kevin Kühnert mehrheitsfähig gemacht. Und angesichts massiver Milliardenspritzen könnte die Bundesrepublik bald so viele volkseigene Betriebe haben wie seit den unseligen DDR-Zeiten nicht mehr. Der starke Staat und das große Umverteilen sind so populär wie selten. Möglich, dass Corona im kommenden Jahr sogar Rot-Rot-Grün ermöglicht.