Die Folgen der Pandemie verschärfen die sozialen Ungleichheiten – gerade in der Bildung. Solidarität ist gefragt.
Am heutigen Montag beginnt sie also, die siebte Coronawoche ohne regulären Schulbetrieb. Inklusive der Frühjahrsferien hat damit die Mehrzahl der Hamburger Schüler seit zwei Monaten keine Schule mehr von innen gesehen. Und trotz aller Lockerungspläne kann niemand seriös prognostizieren, wie das Bildungssystem die Folgen der Pandemie verkraften wird. Geht das Lernen-mit-Abstand-Konzept wirklich auf? Was passiert, wenn sich viele Pädagogen anstecken sollten? Und was geschieht mit dem Unterricht, wenn die von Virologen befürchtete zweite Infektionswelle durch Deutschland rollen sollte?
Sicher ist indes dies: Schon jetzt hat Covid-19 gerade in der Bildung die soziale Ungleichheit verschärft. Ja, der Fernunterricht funktioniert vielerorts deutlich besser als erwartet. Aber im Vorteil sind Kinder aus begüterten Elternhäusern. Wer im eigenen Zimmer mit seinem modernen Tablet-Computer seine digitalen Hausaufgaben erledigen kann, tut sich naturgemäß leichter als der Klassenkamerad, der in einer Hochhaussiedlung auf dem Küchentisch mit dem Uralt-Laptop der Eltern büffeln muss.
Die schlechtere technische Ausstattung könnten Schüler beim digitalen Unterricht vielleicht noch verkraften. Aber häufig sind gerade sie es, die zudem kaum eine Chance haben, dass Mutter oder Vater in die Pädagogen-Rolle schlüpfen können. Wie sollen etwa Eltern, die die deutsche Sprache kaum beherrschen, ihre Kinder bei Hausaufgaben unterstützen?
Corona: Spaltung beginnt in Kita
Die Coronaspaltung beginnt in der Kita: Jede weitere Woche, wo nur Notbetreuung angeboten wird, wirft Kinder aus Familien, in denen kaum Deutsch gesprochen wird, weiter zurück. Fatal ist die Pandemie besonders für Kinder mit einem Handicap. Corona verhindert eben häufig Logopädie, Ergo- und Physiotherapie – diese Zwangspause wird Inklusion noch schwerer machen.
Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass die Ungleichheit sich nun bei den geplanten vorsichtigen Öffnungen der Sportanlagen fortsetzen wird. Clubs, die Individual-Sportarten wie Tennis oder Golf anbieten, dürfen hoffen, während Fußballvereine mit ihren günstigeren Beiträgen wohl lange warten müssen, bis wieder gekickt werden darf. Denn Zweikämpfe bedeuten leider das Gegenteil von Nähe durch Abstand.
Spiel- und Bolzplätze sollten bald öffnen
Damit kein Missverständnis entsteht: Diese Ungerechtigkeiten rechtfertigen keineswegs irgendeine Form von Lockerungsaktionismus – dafür ist das Virus viel zu gefährlich. Allerdings haben die Verlierer der Pandemiefolgen sehr wohl einen Anspruch, dass der Senat – wie im SPD-Wahlkampf hundertfach plakatiert – die ganze Stadt im Blick hat. Wenn es nun um Lockerungen geht, sollten gerade die profitieren, die – wie so gern gesagt wird – den Laden am Laufen halten. Wer Busse steuert, wer kranke und alte Menschen pflegt, wer an der Supermarktkasse sitzt, kann sich in aller Regel in einer so teuren Stadt wie Hamburg keinen Garten leisten, wo die Kinder auch in Coronazeiten auf dem Trampolin hopsen dürfen. Und deshalb ist es wichtig, dass Spiel- und Bolzplätze möglichst bald wieder öffnen.
Doch die politischen Entscheider allein werden diese Probleme nicht lösen können. Dies geht nur mit Solidarität. Und deshalb gehört auf dem Lehrplan nun vor allem die Förderung derer, die durch Fernunterricht den Anschluss verloren haben. Schon jetzt erteilen etwa leistungsstarke Schüler Kindern mit Lernschwierigkeiten aus unteren Jahrgängen Förderunterricht. Dies sollte ausgebaut werden, zumal von dieser kostenlosen Nachhilfe alle profitieren. Noch gibt es keine Impfung gegen Corona. Aber Gemeinsinn kann helfen, die sozialen Folgen der Pandemie abzufedern.