Tennis, Golf, Leichtathletik, Reiten, Bogenschießen, Segelfliegen: Was in Österreich jetzt erlaubt ist, bleibt in Deutschland verboten.

Du glückliches Österreich, du hast es einfach besser – zumindest was in dieser Krise den Sport betrifft. Leichtathletik, Reiten, Bogenschießen, Segelfliegen, Golf- und Tennisspielen hat die Regierung in Wien jetzt erlaubt, nachdem zuvor schon Läufer, Walker, Jogger und Radfahrer – natürlich auch die weiblichen – sich mit gebührendem Abstand in der Alpenrepublik halbwegs frei bewegen durften. In Deutschland dagegen stand bei den Lockerungen des Shutdowns der Sport nicht einmal auf der Tagesordnung. Ein schwerer Fehler, wie nicht nur der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) meint.

Der Verband hat jetzt (warum so spät?) seine Mithilfe beim Erstellen entsprechender Leitlinien zur Wiederaufnahme des vereinsbasierten Sports angeboten. „Gerade der Sport wird ein unverzichtbarer Bestandteil zur Rückkehr in eine bewegte Gesellschaft sein“, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann.

Den allgemeinen Sportbetrieb, nicht den der Profiligen, hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Berater nicht auf dem Zettel, als sie am Mittwoch über erste Lockerungen entschieden. Ein diesbezügliches Positionspapier aus Nordrhein-Westfalen, das von Hamburg inhaltlich unterstützt worden wäre, gelangte gar nicht erst in die Diskussionsrunde von Bundesregierung und Ministerpräsidenten. Hamburgs Sportsenator Andy Grote (SPD) ist darüber zu Recht „stark enttäuscht“.

Immunkompetenz der Gesellschaft wird geschwächt

Dabei gibt es ernst zu nehmende Mediziner, die als Folge fortgeschriebener Bewegungseinschränkungen, der Schließung aller öffentlichen und kommerziellen Sportanlagen sowie der Spielplätze am Ende der Krise mehr Tote aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Stoffwechselstörungen oder ähnlichen chronischen Leiden befürchten als durch das Coronavirus selbst. Inaktivität ist die Ursache vieler gesundheitlicher Störungen mit oft verheerenden Langzeitwirkungen. Die Entscheidung, Sportlerinnen und Sportler weiter auszusperren, ihnen den Zutritt zu Vereinen und Studios zu verwehren, bringt nicht nur die Clubs und Betreiber in wirtschaftliche Schwierigkeiten, sondern dürfte mittelfristig auch zu Milliarden zusätzlicher Kosten im Gesundheitswesen führen.

Hinzu kommen ungenutzte psychologische Effekte: Wer sich auspowert, baut Aggressionen ab, möglicher häuslicher Gewalt könnte vorgebeugt werden. Auf all diese positiven Wirkungen des Sports zu verzichten ist nicht nachvollziehbar. Die Ausbreitung des Virus wird damit nicht eingedämmt; vielmehr wird die Immunkompetenz der Gesellschaft geschwächt, was sich in der aktuellen Lage als kontraproduktiv erweisen könnte.

Auch Leichtathleten können Abstand halten

Warum sollten Tennisspieler und Golfer nicht in frischer Luft ihre Schläger schwingen, während kleine Läden wieder öffnen dürfen, was wirtschaftlich und gesellschaftlich in Anbetracht der abflachenden Infektionskurve geboten war? Golfverband und Tennisbund haben ihr Unverständnis gegenüber der Politik inzwischen kundgetan. Wo die gesundheitliche Gefährdung bei einem Grundlinienduell im Tennis oder auf einer weiträumigen Golfanlage liegt, bleibt rätselhaft. Auch Leichtathleten können Abstand halten.

Selbst in Fitnessstudios wäre bei reduziertem Zugang zu Geräten und Kursen eine Gefahr nur schwer zu konstruieren. Dass Hygieneregeln beachtet werden, ist für die meisten Sportler ohnehin selbstverständlich. Dass Umkleideräume und Duschen möglicherweise geschlossen bleiben müssten, wären akzeptable Einschränkungen.

Eine Weisheit unter Trainern lautet, man sollte nur neue Fehler machen. Die Hoffnung bleibt, dass die Politik, wenn sie Anfang Mai über die nächste Runde der Lockerungen berät, nicht wieder alte begeht. Dass Großveranstaltungen bis zum 31. August untersagt sind, scheint angemessen. Warum aber in Österreich der Sport ins öffentliche Leben zurückkehren darf, hierzulande aber nicht, kann niemandem vermittelt werden.