In Hamburg hat er bewiesen, dass er eine SPD am Boden wieder aufrichten kann.
Die Beziehung zwischen Olaf Scholz und der SPD war immer eine einseitige. Während Scholz sich bedingungslos der Partei verschrieb und als Bundesminister und vor allem Hamburger Bürgermeister große Erfolge feierte, straften die Genossen ihn bei internen Wahlen gern einmal ab.
Man könnte das Liebesentzug nennen, wenn es denn überhaupt einmal eine Art Liebe oder zumindest Zuneigung der Partei zu einem ihrer bei den Bürgern beliebtesten Politiker gegeben hätte. Hat es aber nicht. Im Umfeld von Scholz hat es deshalb in den vergangenen, für die Bundespartei bekanntlich schweren Jahren immer geheißen, dass die SPD wirklich am Boden sein müsste, um den Wert des Hamburgers für die Partei zu erkennen.
Nun, es ist so weit – und Scholz bereit, SPD-Vorsitzender zu werden. Das hat er bisher immer ausgeschlossen, weil er wusste, das diese Wahl für ihn viel schwieriger zu gewinnen sein würde als etwa eine Bundestagswahl. Aber kann er ernsthaft an der Seite stehen, wenn sich etwa Ralf Stegner und Gesine Schwan um das höchste Amt seiner Partei bewerben – und im Zweifel dann einer der beiden Kanzlerkandidat wird? Natürlich nicht. Scholz muss antreten, auch wenn das für ihn eine Alles-oder-nichts-Entscheidung ist. Entweder er wird SPD-Vorsitzender und damit auch Kanzlerkandidat – dass er sich das zutraut, hat er vor langer Zeit erklärt – , oder seine politische Karriere ist zu Ende.
Hopp oder top? Für ein Scheitern Scholz’ bei der Kandidatur um den SPD-Vorsitz spricht das geschilderte schwierige Verhältnis zu den eigenen Funktionären und die Nähe zu der früheren Parteichefin Andrea Nahles. Für einen Erfolg könnten in erster Linie die Umfragewerte des Bundesfinanzministers sprechen. Eine Mehrheit der Bürger schätzt ihn, würde ihn lieber als Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) oder Robert Habeck (Grüne) im Kanzleramt sehen.
Kommt hinzu, dass Olaf Scholz mit dem Aufrichten einer Partei große Erfahrung hat. Als er Anfang des Jahrzehnts in Hamburg die SPD übernahm, war diese erstens am Boden und zweitens in der Opposition. Von dort führte er sie (und sich) nicht nur ins Rathaus, sondern holte im ersten Versuch gleich die absolute Mehrheit der Wählerstimmen.
Das wird ihm auf Bundesebene nicht ansatzweise gelingen, aber das erwartet ja auch keiner. Wenn der künftige SPD-Vorsitzende die Partei bei der nächsten Bundestagswahl über 20 Prozent bringen würde, wäre das schon ein Erfolg. Olaf Scholz traut sich das und mehr zu, und er hat gute Gründe dafür.
Wenn Angela Merkel sich aus der Politik zurückzieht, wird es nicht wenige Wähler geben, die einen ähnlichen Typ - ruhig, kompetent, robust – suchen. Scholz ist so ein Typ, Spötter bezeichnen ihn gern mal als Merkel in Männergestalt. Das klingt böse, muss es aber nicht sein: Es gibt auf jeden Fall Schlechteres, als mit einer Frau verglichen zu werden, die seit 14 Jahren Bundeskanzlerin ist.
Wird also Olaf Scholz, und damit ein Hamburger, SPD-Vorsitzender und dann Kanzlerkandidat? Man kann es der SPD nur raten. So wie man einem Patienten, der vor einer schwierigen Operation steht, raten würde, als behandelnden Arzt jemanden auszuwählen, der so einen Eingriff schon einmal gemacht hat - und der auch dann cool bleibt, wenn es zwischendurch neue Komplikationen geben sollte. Dieser Mann ist Olaf Scholz.
Interessant wird, mit welcher Frau er sich um die SPD-Spitze, die mit Sicherheit eine Doppelspitze werden wird, bewirbt. Sie sollte das haben, was Scholz zwar auch hat, aber oft nicht richtig und wenn, dann nur im direkten Kontakt zeigen kann: Empathie und Leidenschaft.