Ex-Profi Mladen Petric analysiert vor dem Start die Lage in der Bundesliga – und findet auch Worte für seine alte Liebe aus Hamburg.

Ganz ehrlich: Ich kann den Start der 57. Bundesliga-Saison kaum erwarten. Natürlich dürften Bayern München und Borussia Dortmund die deutsche Meisterschaft unter sich ausmachen. Extrem gespannt bin ich aber, ob die fußballerische Qualität in diesen beiden Mannschaften wirklich wieder steigt.

Erstaunt habe ich dabei registriert, dass einige Kritiker Ivan Perisic als B-Lösung eingestuft haben, weil die Münchner den Transfer des verletzten Leroy Sané vorerst abhaken mussten. Diese Diskussionen um meinen Landsmann verstehe ich überhaupt nicht. Warum ihn nicht viel früher eines der vier, fünf besten Teams Europas geschnappt hat, war mir schon länger ein Rätsel. Perisic ist ein absoluter Hammerspieler, einer der wenigen Straßenfußballer, die es noch gibt, die zu außergewöhnlichen Aktionen auf dem Rasen fähig sind, stark in Eins-gegen-eins-Situationen. Gegenüber seiner Zeit in Dortmund, in Wolfsburg konnte er sich zuletzt deutlich steigern.

Ich würde Niko Kovac wünschen, dass er in Ruhe den nötigen Umbruch in seiner Mannschaft gestalten kann. Vergangene Saison hatten es die Bayern versäumt, neue Reize in der Mannschaft zu setzen. Die Verträge einiger Spieler liefen aus, andere wollten vorzeitig den Club verlassen – alles keine guten Vorzeichen. Ich fühlte mich fast ein bisschen an meine Zeit beim HSV erinnert ... Die Dortmunder sind diesbezüglich im Vorteil, da sie ihre Transfers früher durchgezogen haben und Trainer Lucien Favre sein Team einspielen lassen konnte.

Neben den Bayern und dem BVB gibt es aber viele weitere spannende Fragen: Kann Bayer Leverkusen die positiven Ansätze bestätigen, schlägt der 20-jährige und so talentierte Kai Havertz wieder so ein wie in in der Vorsaison? Oder Frankfurt: Wie verkraftet die Eintracht den Abgang ihres Toptorjägers Luka Jovic zu Real Madrid, zumal sich auch Sébastien Haller nach England zu West Ham United verabschiedet hat? Im Normalfall ist das schwer zu kompensieren. Und kriegt Schalke unter Trainer David Wagner nach der Seuchensaison die Kurve? Ich traue es ihm zu.

Dass sich die Kräfteverhältnisse in der Bundesliga gewaltig verschieben, glaube ich nicht, große Überraschungen wird es nicht geben. Wie wohl viele Fußballfans freue ich mich auf die Premiere von Union Berlin im Oberhaus. Womöglich kann ihnen die gewaltige Euphorie im Vereinsumfeld helfen, sich im Mittelfeld festzuklammern. Sie werden es aber aller Voraussicht nach schwer haben, genau wie Paderborn. Von den Aufsteigern ist Köln am stärksten einzustufen. Sehr schade für die Bundesliga und den HSV, dass in dieser Auflistung der Aufsteiger mein Ex-Club fehlt. Die Chance nach der Winterpause war für den damaligen Tabellenführer da. Selbstverständlich hoffe ich, dass die Rückkehr im zweiten Anlauf klappt. Ein Pluspunkt ist sicher Trainer Dieter Hecking, der mit seiner großen Erfahrung gerade in schwierigen Situationen den nötigen Halt geben kann. Auch Manager Jonas Boldt halte ich für einen guten Mann. Eine Garantie für den Aufstieg gibt es aber nicht. In dieser Saison dürfte es angesichts der Konkurrenz noch schwerer werden.

Noch ein Wort zum viel diskutierten Video Assistant Referee: Ich war immer ein klarer Befürworter davon, um krasse Fehlentscheidungen korrigieren zu können. Auffällig ist allerdings, dass bei den Fans die Emotionen bei einem Tor nicht mehr so hochgehen, weil sie Angst haben müssen, dass nachträglich ein Foul an der Mittellinie erkannt wird. Da muss man aufpassen.

Ob ich in Zukunft auch wieder einen Posten im Profifußball übernehmen werde? Abwarten, vorstellen kann ich mir alles. Aber derzeit bin ich sehr zufrieden mit meinen Aufgaben als Experte beim Schweizer Pay-TV-Sender Teleclub und ab der neuen Saison als Experte bei Sky für die Premiere League. Die englische Liga ist, Pardon, einfach geil. Gespannt bin ich, ob Tottenham Hotspur in die Phalanx von Manchester City und Liverpool eindringen kann.

Mladen Petric (38) wechselte 2008 von Dortmund zum HSV, erzielte bis 2012 in 99 Bundesligaspielen 38 Tore. Weitere Profistationen: FC Baden (Schweiz, 1998–99), Grasshoppers Zürich (1999–2004), FC Basel (2004–07), FC Fulham (2012-13), West Ham United (2013) und Panathinaikos Athen (2014–16). Er besitzt die kroatische und die Schweizer Staatsangehörigkeit.