Die beiden Hamburger Fußballclubs gehen mit sehr unterschiedlichen Vorzeichen in die neue Zweitliga-Saison.

Vorfreude auf die neue Saison sieht wohl anders aus. Die Anhänger des FC St. Pauli dürften in den vergangenen Wochen zunehmend neidvoll und gefrustet auf den HSV geblickt haben, der während seiner ausgiebigen Shoppingtour gleich zehn Neuzugänge – viele ohne Ablöse – in den Einkaufswagen gepackt hat und mit dem Millionen-Verkauf des Brasilianers Douglas Santos nach St. Petersburg sogar noch ein deutliches Transferplus erwirtschaftete. Die Braun-Weißen hingegen übten sich vor dem Zweitligastart – die Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 bestreiten am heutigen Freitag das Eröffnungsspiel – in seltsamer hanseatischer Zurückhaltung. Darauf zu hoffen, im Endspurt des Sommer-Transferfensters am 2. September noch einen Volltreffer landen zu können, darf getrost als riskanter Zock eingestuft werden.

Besonders im Angriff ist der Kader des FC St. Pauli nach den Verletzungen der Offensivkräfte Henk Veerman und Borys Tashchy äußerst dünn besetzt, daran ändert auch die am Donnerstag als perfekt gemeldete Leihe des Schweden Viktor Gyökeres nichts. Ob der talentierte, aber unerfahrene Leo Östigard in der Innenverteidigung auf Anhieb eine vollwertige Alternative sein kann, ist eine weitere von vielen offenen Fragen, die die Fans beunruhigen.

Fast könnte man Mitleid mit Trainer Jos Luhukay haben, der am kommenden Montag in Bielefeld aller Voraussicht nach nur Akteure aufs Feld schicken wird, die bereits vergangene Saison das braun-weiße Trikot getragen haben. Selbst wenn der Coach weitere Verstärkungen erhält, so gilt es sie während der bereits angelaufenen Saison zu integrieren. Die Chance, während der Vorbereitung Abläufe einzustudieren, ist jedenfalls verpasst. Stand jetzt wäre es eine Überraschung, könnte sich der Club vom Millerntor unter den ersten sechs der Tabelle festsetzen. Das sieht auch die Liga so – keiner der Zweitliga-Trainer sah St. Pauli in einer „Kicker“-Umfrage in den Aufstiegsrängen. Wahrscheinlicher ist derzeit eine Platzierung zwischen Rang sieben und zwölf.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass St. Paulis Möglichkeiten in einem sich stetig verteuernden Markt bei einem Etat von 13 bis 14 Millionen Euro überschaubar sind. Zum Vergleich: Lokalrivale HSV plant – ähnlich wie in der vergangenen Zweitliga-Saison – mit einem
Profi-Etat von 28 Millionen Euro und liegt im Ligavergleich, den Stuttgart anführt, auf Platz zwei bis vier.

Wer solch ein Gehaltsniveau stemmen kann und sich zudem mit Dieter Hecking (führte Mönchengladbach in die Europa League) und Jonas Boldt (früher Sportdirektor in Leverkusen) aus dem oberen Bundesliga-Regal bediente, für den kann es nur das Ziel geben, einen der Aufstiegsplätze zu erreichen.

Eine Wundertüte ist der HSV zu Beginn der Saison dennoch. Obwohl Hecking sicher in Drucksituationen deutlich souveräner agieren dürfte als sein am Ende überforderter Vorgänger Hannes Wolf, so heißt das noch lange nicht, dass die (sinnvollerweise) neu zusammengestellte Mannschaft auch sofort funktioniert.

Riskant war und ist der Weg auch deshalb, weil das „Erst-einkaufen-dann-verkaufen-Prinzip“ zwar den Vorteil brachte, dass die Neuen große Teile der Vorbereitung zusammen absolvieren konnten, der Kader aber noch viel zu groß aufgestellt ist. Spieler in den eigenen Reihen zu haben wie Gotoku Sakai, Julian Pollersbeck oder David Bates, die wissen, dass der HSV sie lieber heute als morgen abgeben würde, ist nicht unproblematisch fürs Binnenklima und treibt die Preise auch nicht gerade hoch.

Eine realistische Prognose beim HSV abzugeben ist deshalb schwerer, als man auf den ersten Blick glaubt, auch wenn der Verein von allen Trainern der Zweiten Liga als Topfavorit gehandelt wird. Ihn als Bayern der Zweiten Liga zu bezeichnen, wie es Nürnberg-Kultspieler Dieter Eckstein tut, trifft nicht die Qua­lität des Kaders – und auch nicht das wohltuend dezentere Auftreten der Hamburger. Die Voraussetzungen für den Aufstieg wurden geschaffen, mehr nicht. Nun müssen die Profis liefern. Lasst die Spiele beginnen.

Im Sport: Berichte zum Zweitliga-Start