Warum die Verteidigung der Demokratie uns alle betrifft.

Der Verfassungsschutzbericht ist aktueller denn je – schon das ist eine schlechte Nachricht. Noch vor 20 Jahren las man darin eher entspannt über obskure Gruppen, wirre Verschwörungstheoretiker und freie Radikale, die den Staat und die Demokratie ablehnten – man hielt sie für eine kleine Minderheit ohne Perspektive und Durchschlagskraft. Die RAF hatte sich aufgelöst, die Ewiggestrigen wähnte man aufgrund der Demografie am Rande der Bedeutungslosigkeit, und der Islamismus war ein Fall für eine Halbzeitkraft.

Zwei Dekaden später mögen die radikalen Minderheiten noch immer klein sein, aber sie haben zugeschlagen: Mehrere islamistische Gewalttaten erschütterten das Land, erst vor wenigen Wochen hat offenbar ein Rechtsex­tremist den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ermordet. Auch die Krawalle von Linksextremisten beim G-20-Gipfel sind in Hamburg nicht vergessen.

Rechtsextremisten haben die Kritik an der Migrationspolitik für sich genutzt

Der freiheitlich-demokratischen Grundordnung droht von vielen Seiten Gefahr. Umso wichtiger ist, dass die Mitte des Landes die Demokratie gegen Extremisten verteidigt. Dazu gehört, sich nicht einlullen zu lassen, wenn radikale Kräfte als Trittbrettfahrer in die demokratische Mitte vorstoßen, um „anschlussfähig“ zu werden. Rechtsex­tremisten haben die Kritik an der Migrationspolitik für sich genutzt, Linksextremisten stoßen in soziale Bewegungen vor, die sich um Umweltschutz, Wohnungspolitik oder Flüchtlinge kümmern.

Mit der Radikalisierung des Diskurses radikalisiert sich die Gesellschaft – und Radikale fallen weniger auf. Wenn aber Sachfragen zu Systemfragen hochstilisiert, Andersdenkende entmenschlicht werden und Gewalt zum legitimen Mittel der Auseinandersetzung wird, ist Gefahr im Verzug: Dann geht es um mehr: Dann geht es um die Zukunft der liberalen Demokratie.