Hannes Wolf zum Alleinverantwortlichen des Absturzes abzustempeln, wäre viel zu einfach und kurz gedacht.
Es ist exakt sieben Wochen her, dass der HSV im Stadtderby beim FC St. Pauli mit 4:0 triumphierte und anschließend in der Kultkneipe Zwick am Mittelweg eine Party feierte, als wäre der Aufstieg in die Bundesliga schon beschlossene Sache. St. Pauli war distanziert, der SC Paderborn lag zwölf Punkte zurück, und Konkurrent Union Berlin bekam die Aufstiegsflatter. Sieben Wochen, sechs sieglose Ligaspiele und einen Punkt Rückstand auf Paderborn später ist der HSV endgültig auf dem Boden seiner eigenen Überheblichkeit angekommen. Klar – noch ist die Saison nicht vorbei. Und doch deutet vieles darauf hin, dass die Hamburger durch das 0:2 in Berlin den sicher geglaubten Aufstieg verspielt haben.
Im Erfolg macht man die größten Fehler, hat Trainerlegende Otto Rehhagel einmal gesagt. Nur allzu gut passt dieser Satz zum HSV, der zuverlässig nach kleinen Erfolgserlebnissen (wie dem 4:0 im Derby) große Chancen liegen lässt, weil er in eine Wohlfühlstimmung verfällt. Der Club ließ sich von der fußballerisch nur selten überzeugenden Herbstmeisterschaft mit sechs Punkten Vorsprung blenden. Die Folge: Platz 14 in der Rückrundentabelle. Eine Bilanz, die im Volkspark normalerweise zu einer Trainerentlassung führt.
Unglückliche Entscheidungen
Natürlich trägt auch Trainer Hannes Wolf eine Mitschuld. Zu häufig traf er in der Rückrunde mit Aufstellungen und Auswechslungen unglückliche Entscheidungen, die dem HSV Punkte kosteten. Ihn nun aber zum Alleinverantwortlichen abzustempeln, wäre viel zu einfach und kurz gedacht. Ralf Becker hatte recht, als er am Sonntag von einem Strukturproblem sprach. Ein Problem, das nicht neu ist – und das auch der Sportvorstand bislang nicht lösen konnte. Der HSV hat sich dieses Strukturproblem über Jahre durch unzählige Fehlentscheidungen erarbeitet. Und wird noch einige Jahre daran arbeiten müssen, diese Kurve durch viele richtige Entscheidungen zu drehen. Ein weiteres Jahr Zweite Liga könnte dem HSV guttun, um aus seinen Fehlern der Überheblichkeit endlich zu lernen.