Das Großprojekt auf St. Pauli zeigt, wie Stadtentwicklung funktionieren kann.
Es gibt einfachere Bauprojekte als die Großbaustelle am Spielbudenplatz: Jahrelang stritten Politik und Anwohner erbittert um die Zukunft der so genannten „Esso-Häuser“: Dabei ging es weniger um die Ästhetik des 6oer-Jahre-Plattenbaus, den man sich nicht einmal auf dem Kiez schön trinken konnte, sondern um Stadtentwicklung an sich – und um die schleichende Gentrifizierung der weltberühmten Meile: Was bleibt vom Kiez und vor allem seinen Anwohnern, wenn jeder Quadratmeter saniert, neu bebaut, aufgewertet wird?
Ausgerechnet im Streit um die heruntergekommenen „Esso-Häuser“ entbrannte eine überfällige Stadtentwicklungsdebatte, die man sich schon Jahre zuvor gewünscht hätte – etwa, als die Stadt 2004 dem Kiez auf dem ehemaligen Bavaria-Gelände die völlig unpassende Hafenkrone aufpflanzte. Stadtentwicklung betrifft alle – und darf nicht den Investoren allein überlassen werden.
Die „Esso-Häuser“ hätten wie der City-Hof die Stadtentwicklungsdebatte über Jahre beschäftigen können, wären nicht im Dezember 2013 plötzliche Risse im Gebäude aufgetaucht. Doch so schnell, wie sich der einsturzgefährdete Plattenbau abreißen ließ, war keine Einigung über einen Neubau zu erzielen: Lange standen die Zeichen auf Konfrontation zwischen dem Investor und der Politik auf der einen und ihren Kritikern auf der anderen Seite. Bürgerbeteiligung ist mitunter anstrengend und zeitraubend, am Ende aber einigten sich alle auf einen fast historischen Kompromiss.
Vorzeigeprojekt droht zum Luftschloss zu werden
Nach 30 langen Verhandlungsrunden mit der „Planbude“ nahm das Paloma-Viertel Gestalt an: Mit einer kiezgerechten Mischung aus Hotel, Restaurants und Clubs, einer Stadtteilkantine sowie 200 Wohnungen, von denen 40 Prozent öffentlich gefördert werden sollen, ging der Investor an seine Schmerzgrenze. Er verzichtete auf Eigentumswohnungen und sagte Dachgärten und Sportflächen zu, die von allen nutzbar sind. Auch der Kultclub Molotow wird an alter Stelle eine neue Heimat finden.
Vergleicht man den Paloma-Plan mit den ursprünglichen Investorenideen, darf man dem Eigner Bayerische Hausbau sicher keine mangelnde Kompromissbereitschaft vorwerfen. Ganz im Gegenteil: In der derzeit aufgeladenen und bis zum Comic verzerrten Debatte um Mietpreise und Investoren („Miethaie zu Fischstäbchen“) zeigte Hamburg, dass die Welt etwas komplizierter ist. Und Kooperation Konfrontation schlägt.
Allein: Der Teufel steckt im Detail. Und manche pfiffige Idee stößt an die Grenze der Wirtschaftlichkeit: So hat sich bis heute keine Baugenossenschaft gefunden, die dort investieren will. Jede weitere Verzögerung aber droht wegen der derzeitigen Kostenexplosion das Vorzeigeprojekt in ein Luftschloss zu verwandeln.
Bauwunde im Herzen des Kiezes droht
Deshalb ist es ein gutes Signal, wenn nun die Finanzbehörde den Kauf eines Gebäudes im Paloma-Viertel in Erwägung zieht. Das Projekt ist zu groß und zu wichtig, zu klug und zu mutig, um es an dieser Stelle noch scheitern zu lassen. Wenn das Paloma-Viertel jetzt kippt, wird bis weit ins nächste Jahrzehnt eine große Bauwunde im Herzen des Kiezes klaffen – und sich die Stimmung zwischen Investoren und Anwohnern weiter verhärten.
Eine politische Lösung liegt da deutlich näher und wäre kein Sündenfall: In Zeiten, wo das notorisch pleite Berlin über Enteignungen diskutiert und Politiker von SPD, Linken und Grünen verzückt den Sozialismus wieder für sich entdecken, könnte der rot-grüne Senat in der Hansestadt zeigen, wie pragmatische und vernünftige Politik aussieht. Und einmal mehr beweisen, warum Hamburg besser regiert wird als Berlin.