Klima retten, in den Urlaub fliegen, Cruise Days feiern: Der Freitag ist ein Tag für viele Fragen.

Es ist wieder Freitag. Vor wenigen Wochen war das noch ein ganz normaler Tag, womöglich etwas beliebter als ein Dienstag oder Donnerstag. Doch seitdem ein schwedisches Mädchen namens Greta eine weltweite Jugendbewegung begründet hat, wird an jedem Freitag, vielleicht mehr als an anderen Tagen in der Woche, diskutiert. Zwischen Eltern und Kindern. Zwischen Lehrern und Schülern. Oder, wie hier beim Hamburger Abendblatt, unter Kollegen. Und egal, ob man den Klima-Protest der Jugendlichen ernst nimmt oder nicht, ihn gutheißt oder nicht, man ahnt: Das Thema wird uns so schnell nicht verlassen. Ganz im Gegenteil.

In Hamburg erleben wir derzeit, wie groß das Spannungsfeld ist, das sich dabei auftut. Nicht nur in Anspruch und Wirklichkeit. Sondern in Maßnahmen, die zusammengenommen nicht wirklich einen Sinn ergeben.

Die autofreie Stadt kommt – und mehr Kreuzfahrtschiffe

Iris Mydlach ist stellvertrende Leiterin des Hamburg-Ressorts.
Iris Mydlach ist stellvertrende Leiterin des Hamburg-Ressorts. © HA

In gleich zwei Stadtteilen soll dieses Jahr ausprobiert werden, wie sich eine autofreie Stadt anfühlt: im Rathausquartier für drei Monate, in Ottensen für gleich ein halbes Jahr. Nur wenige Kilometer weiter nördlich, am Hamburger Flughafen, entstehen bis 2020 fünf neue Fluggastbrücken und ein neues Interimsterminal – damit noch mehr Flugreisende an ihr Feriendomizil kommen.

Zum Hafengeburtstag 2019 und den Hamburg Cruise Days werden mehr Schiffe denn je in der Hansestadt erwartet – schwimmende Kleinstädte mit dem entsprechenden Verbrauch. Gleichzeitig bleiben für ältere Dieselfahrzeuge Abschnitte der Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße weiter gesperrt. Darüber könnte man sich stundenlang aufregen.

Es geht ums große Ganze – und den Streit darum

Lange Zeit ist in Hamburg nicht mehr so viel Grundsätzliches aufeinandergeprallt. Was nicht weiter verwundert. Klimaschutz, Mobilität, Nachhaltigkeit: Da geht es nicht um ein Neubaugebiet in der Nachbarschaft, über das sich meist nur die Anwohner empören. Da geht es ums große Ganze. Da geht es um die Frage nach dem eigenen Lebenswandel. Nach persönlichen Überzeugungen und Bedürfnissen. Das ist immer grundsätzlich.

Über Grundsätzliches streitet es sich gern. Für den einen ist es ein Bedürfnis, mehrmals im Jahr dem Hamburger Schmuddelwetter zu entkommen. Der andere könnte mit den Gewissensbissen nicht leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Vertreter beider Meinungen in den nächsten Jahren annähern? Geht gegen null. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Tür an Tür leben? Dürfte groß sein.

Der Protest der Jugendlichen ist direkt und deutlich

In einer Großstadt wie Hamburg zu leben bedeutet jeden Tag aufs Neue, Spannungen auszuhalten und, im besten Fall, nicht gleich zu eskalieren. Gerade in Zeiten, in denen Kommunikation immer digitaler wird. In den Kommentarspalten der sozialen Medien kann man die Auswüchse dieser Kommunikation Tag für Tag nachlesen.

Der generelle Vorwurf, die junge Generation kommuniziere nur noch über das Smartphone, ist so alt, wie er banal ist. Die Freitagsdemonstrationen sind dafür ein gutes Beispiel. Denn da sind sie ja, jeden Freitag, mitten in unserer Stadt: junge Menschen, die sich zeigen. Die sich klar positionieren.

Die Jugendlichen, die seit Wochen freitags auf die Straße gehen, haben sich für ihren eigenen Weg entschieden. Über das Wann kann man vortrefflich streiten, über das Wie meiner Meinung nach nicht: Rauszugehen auf die Straße, die Forderungen hinauszurufen in die Welt, kann nicht verkehrt sein. Es ist direkt, nicht anonym. Es ist deutlich, nicht aggressiv. Es ist die Art und Weise, wie Kommunikation sein sollte, zumindest mal für den Anfang.

Wollen wir die anderen nicht einfach mal anhören?

Auch für uns, die wir Freitag für Freitag den jugendlichen Demonstranten zuschauen, stellt sich die Frage: Wie wollen wir über die Themen sprechen, die Hamburg (und die Welt) in den nächsten Jahren im Griff haben werden? Wie wollen wir diskutieren, wie wollen wir streiten? Wollen wir uns die Argumente der anderen nicht einfach mal anhören? Ein klares Ja auf diese Frage zu geben, wäre ein wichtiger erster Schritt.